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Choralandacht | 30.01.2021 | 07:50 Uhr

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„Wach auf, mein Herz, und singe“ (eg 446)

Musik 1: Choral Str. 1, Titel: Wach auf, mein Herz, und singe; Text: Paul Gerhardt; Komposition: Nikolaus Selnecker, Satz: Johann Crüger (1649); Interpreten: Wilhelmshavener Vokalensemble; Leitung: Ralf Popken; Album: Ich singe dir mit Herz und Mund. Berühmte Choräle von Paul Gerhardt; Edition Chrismon; Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH, LC: unbekannt.

Wach auf, mein Herz, und singe / dem Schöpfer aller Dinge, / dem Geber aller Güter, / dem frommen Menschenhüter.


Autorin: Sind Sie Eule oder Lerche? Gehören Sie also zu den Menschen, die nur schwer aus dem Bett kommen und sich nach dem Aufwachen lieber noch mal die Decke über die Ohren ziehen? Oder zu denen, die am liebsten schon im Morgengrauen aus dem Bett hüpfen, um in den neuen Tag zu starten?

Ob Paul Gerhardt, der Dichter des Chorals, eher Eule oder eher Lerche war, weiß ich nicht. Sein Lied jedenfalls höre ich als Ermunterung für den neuen Tag. „Wach auf, mein Herz, und singe!“ Mit Gesang soll es gleich losgehen. Das ist ja auch ein Wachmacher erster Güte. Wenn ich singe, atme ich tief und regelmäßig, der Kreislauf kommt in Schwung und ich so richtig auf Touren.

Das Singen ist für Paul Gerhard aber kein Selbstzweck. Im Text dieser ersten Strophe hat er einen Hinweis versteckt. Die jeweils letzten Wörter der ersten drei Zeilen heißen „Singe“, „Dinge“, „Güter“ - lese ich die Anfangsbuchstaben hintereinander, ergibt sich S-D-G – „Soli Deo Gloria.“ Das bedeutet: “Allein Gott die Ehre“!


Musik 2: Orgel Titel: Wach auf, mein Herz, und singe; Text: Paul Gerhardt; Komposition: Nikolaus Selnecker, Satz: Johann Crüger (1649); Interpret: Albert Behrends, Orgelimprovisation; Album: Ich singe dir mit Herz und Mund. Berühmte Choräle von Paul Gerhardt; Track 22; Edition Chrismon; Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH, LC: unbekannt.


Autorin: Schon Martin Luther hat das Singen am Morgen empfohlen. Paul Gerhardt hat Luthers Morgensegen gebetet:


Sprecher: Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütest hast und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, dass dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.


Autorin: Und Luther fügt noch eine Anweisung an:


Sprecher: Alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen, und etwa ein Lied gesungen oder was dir sonst deine Andacht eingibt.


Musik 1: Choral Strophe 2

Heut, als die dunklen Schatten / mich ganz umgeben hatten, / hat Satan mich begehrt; / Gott aber hat‘s gewehret.


Autorin: Morgen-Grauen – das kann auch ganz andere Bilder wachrufen. Schlimme Träume oder Schlaflosigkeit oder Angst vor dem, was der neue Tag wohl bringen mag.

Paul Gerhardt hat das alles gekannt. Sein Gedicht entstand 1647, nach fast 30 Jahren Krieg, ein Jahr vor dem Friedensschluss, auf den so viele sehnsüchtig warteten. Von Kindesbeinen an hatte er das Grauen erlebt: Kämpfe, Seuchen und Tod. All das packt er in ein Bild: Satan. Das hebräische Wort bedeutet „Gegner“. In der Bibel ist Satan zunächst der Ankläger der Menschen vor Gott, später führt er Menschen in Versuchung. In der Frömmigkeitsgeschichte wird aus Satan dann eine grauenhafte Gestalt, die alles Schreckliche und Böse in sich vereint.

Die dritte Strophe des Liedes beschreibt diesen Satan so drastisch, dass sie nicht ins Evangelische Gesangbuch aufgenommen worden ist:


Sprecherin: Ja, Vater, als er suchte, / dass er mich fressen möchte, / war ich in deinem Schoße, / dein Flügel mich beschlosse.


Autorin: Wie ein Kind, dass sich nachts ins elterliche Bett flüchtet, beschreibt Gerhardt sein Verhältnis zu Gott. Er benutzt dabei das Bild aus Psalm 91 von Gott als großer Vogelmutter, die ihre Flügel schützend um ihre Küken schließt.

Und dann lässt er Gott direkt reden, wie einen Vater zu seinem verängstigten Kind:


Musik 1: Choral Str.3

Du sprachst: „Mein Kind, nun liege, / trotz dem, der dich betrüge; / schlaf wohl, lass dir nicht grauen, / du sollst die Sonne schauen.“


Autorin: Das ist doch eine Perspektive! Lass dich nicht vom Grauen überwältigen, morgen wird es wieder gut! Dann geht die Sonne wieder auf, darauf können wir uns verlassen!

Gott hat die Sonne für die Menschen geschaffen, damit sie ihnen leuchtet. Somit ist sie ein Zeichen für Gottes Liebe. In fünfundzwanzig Liedern verwendet Paul Gerhardt die Sonne als Bild für die Liebe Gottes.


Musik 1: Choral Str. 4

Dein Wort, das ist geschehen: / Ich kann das Licht noch sehen, / von Not bin ich befreiet, / dein Schutz hat mich erneuet.


Autorin: Paul Gerhardt hat erfahren, dass Gottes Zusage gilt. Dankbar möchte er etwas zurückgeben. Aber wie macht man das am besten? Ein Opfer darbringen, so wie in alten Zeiten? Nein, das sehen schon die alten Texte kritisch. Er schlägt in der Bibel nach. In Psalm 51 liest er:


Sprecher: Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige. Denn Schlachtopfer willst du nicht; ich wollte sie dir sonst geben, und Brandopfer gefallen dir nicht.


Autorin: Was also tun? Woran hat Gott Gefallen? Weder kostbare Gewürze verbrennen noch Tiere schlachten, sondern: singen. Darum schreibt er in den nächsten beiden Strophen:


Musik 3: Orgel I, Titel: Wach auf, mein Herz, und singe; Text: Paul Gerhardt; Komposition: Nikolaus Selnecker, Satz: Johann Crüger (1649); Interpret: Albert Behrends, Orgelimprovisation; Album: Ich singe dir mit Herz und Mund. Berühmte Choräle von Paul Gerhardt; Track 24; Edition Chrismon; Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH, LC: unbekannt.


Sprecherin (overvoice): Choral Str. 5

Du willst ein Opfer haben, / hier bring ich meine Gaben: / mein Weihrauch und mein Widder


/ sind mein Gebet und Lieder.

Choral Str. 6

Die wirst du nicht verschmähen; / du kannst ins Herze sehen; / denn du weißt, dass zur Gabe / ich ja nichts Bessers habe.


Autorin: Recht hatte er, der Pfarrer Gerhardt! Als Kirchenmusikerin erlebe ich das oft:
Singen verleiht Lebenskraft. So kann es weitergehen, mit Gottes Schutz – auch nach unruhigen Nächten und auch in diesen Tagen, wo wir nicht wissen, wann das Leben sich endlich wieder normalisieren wird. Tröstlich ist auch das Zitat aus Psalm 91 in der nächsten Strophe:


Sprecher: Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.


Musik 3: Orgel I

Sprecherin (overvoice): Choral Str. 7

So wollst du nun vollenden / dein Werk an mir und senden, / der mich an diesem Tage / auf seinen Händen trage.


Autorin: Ein Morgenlied – nicht nur für die Stunden heute nach dem Aufwachen. Die alten theologischen Texte meinen damit auch die Zukunft, der neue Morgen ist ein Bild für die Ewigkeit. In diesem Sinn hat Johann Sebastian Bach die Schlußstrophen dieses Liedes in einer Pfingstkantate verwendet.

Die ursprünglich sehr rhythmische Melodie im geraden Takt hat er in einen fließenden Dreiertakt verwandelt, fast wie ein fröhlicher Walzer. Aber ganz zum Schluss baut er eine Taktverschiebung ein, eine Hemiole. Die Melodie löst sich von ihrem festen Grund und befindet sich plötzlich im freien Flug – bei den Textstellen „ach Herr, zum Besten wende“ in Strophe 8 und „bis ich gen Himmel reise“ in Strophe 9.


Sprecherin:

Sprich Ja zu meinen Taten, hilf selbst das Beste raten; / den Anfang, Mitt und Ende / ach, Herr, zum besten wende.

Mich segne mich behüte, / mein Herz sei deine Hütte, / dein Wort sei meine Speise, / bis ich gen Himmel reise.


Autorin: Was da noch alles kommen wird in diesem neuen Jahr, wissen wir nicht – aber lassen wir uns mit Schwung und Gottvertrauen darauf ein!


Musik 4: Choral Str. 8. und 9., Bach-Satz, Titel: Wach auf, mein Herz, und singe; Text: Paul Gerhardt; Komposition: Nikolaus Selnecker, Satz: Johann Sebastian Bach; Interpreten: Bach-Chor Siegen; Leitung: Ulrich Stötzel; Album: Die schönsten Choräle von Paul Gerhardt; Gerth Medien, Asslar 2007; LC-Nr. 13743, EAN/ISBN 4029856693378.


Sprich Ja zu meinen Taten, hilf selbst das Beste raten; / den Anfang, Mitt und Ende / ach, Herr, zum besten wende.

Mich segne mich behüte, / mein Herz sei deine Hütte, / dein Wort sei meine Speise, / bis ich gen Himmel reise.



Weitere Quellenangaben:


Martin Luther, Morgensegen,

in: Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe Rheinland-Westfalen-Lippe-Reformierte Kirche, Nr. 863


Ps. 51, 17.18

Ps. 91, 11.12

Die Bibel

nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017; Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2017



Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

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