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Kirche in WDR 3 | 28.01.2021 | 07:50 Uhr
Von Hatern und Posiealben
Sprache ist etwas Lebendiges. Immer wieder kommen neue Wörter aus anderen Sprachen hinzu. An manche gewöhne ich mich schnell, bei anderen dauert es etwas länger, bis sie mir ganz leicht über die Lippen gehen. Und an manche Wörter möchte ich mich gar nicht gewöhnen. "Shitstorm" oder "Hater" zum Beispiel. Ein „Hater“ ist ein Mensch, der in den sozialen Medien andere Leute beschimpft, erniedrigt, bedroht. Eben jemand, der seinen Hass im Internet zum Ausdruck bringt. Und damit Teil eines "Shitstorms" werden kann. Ein Shitstorm ist, wenn ein Mensch eine Flut von beleidigenden und demütigenden Kommentaren bekommt. Sei es bei Twitter, Instagram, Facebook, also in den sozialen Medien. Wobei sich bei einem Shitstorm diese Medien ja eher in "asoziale" Medien verwandeln.
Ich muss dabei immer an Poesiealben denken. Als ich ein Kind war, da gab es solche Bücher. Man bekam von einem Schulfreund so ein Album. Und dann durfte man sich auf einer noch leeren Doppelseite mit einem Spruch, Aufklebern und Zeichnungen verewigen und dem anderen ein Gedicht oder einen Spruch mit auf den Lebensweg geben.
Ich hatte als Kind eine starke Abneigung gegen diese Poesiealben. Das lag an meiner ganz schlechten Handschrift. Ich blätterte also die Alben durch und war erstaunt, wie schön andere schreiben konnten. Ich schämte mich immer, dass meine Seiten mit so einer krakeligen Schrift einfach nicht schön aussahen.
Deshalb schrieb ich auch immer nur einen ganz kurzen Satz dort hinein. Und nun kommen wir wieder zu den "Hatern" zurück. Dieser Satz ging so: "Hass verwirrt das Leben. Liebe ordnet es." Wie schnell kommt der Hass über die Lippen, wie schnell wird gelästert und gedisst. Hass beschwert das Leben der anderen und mein Leben. Ein Shitstorm über meine Figur, mein Aussehen oder meine Art kann mich komplett aus der Bahn werfen.
Heute weiß ich, dass dieser Satz von Martin Luther King kommt. Auch er musste mit Hass umgehen. Und sein Weg war der der Liebe. "Hass verwirrt das Leben. Liebe ordnet es." Lieben mag nicht immer einfacher und leichter sein als zu hassen, doch immer besser.
Und natürlich kann Lieben auch heißen, klare Stellung zu beziehen, deutliche Worte zu finden, Kritik zu äußern, Widerstand zu leisten.
Diesen Satz "Hass verwirrt das Leben. Liebe ordnet es.", habe ich ganz oft mit meiner krakeligen Handschrift in die Poesiealben geschrieben. Und er hat mich mein Leben lang begleitet.
Ich lade Sie ein, es einmal auszuprobieren: Versuchen Sie in den verschiedenen Momenten dieses Tages zu lieben. Versuchen Sie, jedem Menschen, der ihnen begegnet, irgendwie etwas Positives zukommen zu lassen: ein Lächeln, einen Dank, einen guten Wunsch. Ich glaube, Sie werden sich heute Abend beim Tagesrückblick gut und wie man so schön sagt: aufgeräumt fühlen.
Das war Pastor Heddo Knieper aus Soest.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze