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Kirche in WDR 3 | 27.04.2021 | 07:50 Uhr
Kirchenbilder prägen uns
Heutzutage werden Gotteshäuser abgerissen. Kein Wunder, die Zahl der Christen geht zurück in Deutschland und das zeigt sich auch daran, dass Gemeinden ihre Kirchen nicht mehr unterhalten können. Dabei sind Kirchenbauten oft Wegmarken. Ich denke da vor allem an die Kirchtürme: Gerade in Dörfern bilden sie den geographischen Mittelpunkt. Und wenn der fehlt, dann kann schnell die Orientierung verloren gehen. Gleichzeitig sind Kirchen auch Denkmäler im weitesten Sinne: Hier kann man Geschichte ablesen, die zu denken gibt. Ich meine jetzt weniger die Baugeschichte mit den verschiedenen Stilepochen. Ich meine die Kirche als Ort für persönliche Lebensgeschichten: Wer hat hier nicht alles schon gebetet, gehofft, geweint, getrauert und sich gefreut? Je nach Anlass und Lebensphase. All das ist mitbetroffen, wenn eine Kirche abgerissen wird. Zum Glück steht die Kirche bei uns im Dorf Cappenberg im südlichen Münsterland unter Denkmalschutz. Da kann so schnell nichts passieren. Ganz im Gegenteil: Meine Kirchengemeinde feiert im kommenden Jahr ein Jubiläum. Immerhin, wir blicken auf eine 900jährige Geschichte zurück. Denn im Jahr 1122 übertrug Graf Gottfried von Cappenberg seine Burg einer ganz jungen Gemeinschaft, dem Orden der Prämonstratenser. Und was soll ich sagen: Die Kirche ist ein echtes Kleinod mit herausragenden Schätzen. Sie beherbergt das Grab des heiligen Gottfrieds und hier ist die goldene Büste aufbewahrt, die weltweit als Barbarossa-Kopf bekannt ist. Rechtzeitig zum Jubiläum wird sie nun aufgehübscht. Steinmetze und Restauratoren sind am Werk, damit nicht nur die Fassade, sondern auch der Innenraum im neuen Glanz erscheint. Auch hier zeigt sich Geschichte: Wer hat hier nicht alles schon gebaut und verändert? Und was ist hier auch verloren gegangen durch die Jahrhunderte: Teile des bedeutenden Chorgestühls sind weg oder auch die prächtige Bemalung innen wie außen. Was muss jetzt nicht alles auch erneuert werden? Wichtiger aber als das ganze Äußere des Kirchbaus ist eigentlich die Kirche vor Ort, ich meine die Menschen, die diese Kirche als Gemeinde ausmachen. Ich frage mich: Wie wird diese, meine Gemeinde zu einem Ort der Erneuerung? Denn was nützt es, wenn die Fassade erneuert wird, aber die Gottesdienstbesucher darin nicht? In der Bibel spricht schon der Apostel Petrus von der Kirche als dem Bau aus lebendigen Steinen. Er fordert (1 Petr 2,5): „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen!“ Das ist leichter gesagt als getan. Aber das ist die eigentliche Herausforderung. Wie wäre es wohl, wenn man den Christen mehr ansehen könnte, dass sie Christen sind, weil sie einander und anderen beistehen und helfen, weil sie fürsorglich sind? Wie wäre es, wenn man die Kirche aus lebendigen Steinen daran erkennen könnte, dass Nächstenliebe und Solidarität keine Fremdwörter mehr sind, sondern erfahrbar werden? Ich komme noch einmal zurück zu den Kirchen, die abgerissen werden und damit keine Orientierung mehr in einem Stadtteil oder Dorf geben können. Oft merkt man ja erst dann, wenn etwas weg ist, was man daran hatte. Und weiter gedacht: Was würde wohl fehlen, wenn die Kirche aus lebendigen Steinen nicht mehr da wäre? Würde es dann nicht an menschlicher Orientierung fehlen?
Aus dem kleinen Dorf Cappenberg grüßt Sie Hans Ulrich Nordhaus.