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Choralandacht | 17.07.2021 | 07:50 Uhr

DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.

Nun ruhen alle Wälder (eg 477)

Musik 1: Choral, Strophe 1, Nun ruhen alle Wälder (eg 477), Interpret: Rundfunkchor Berlin, Leitung: Simon Halsey; Komponist: Heinrich Isaac, Text: Paul Gerhardt, Dirigent: Simon Halsey, Solist: Jörg Strodthoff (Orgel): LC: 00173-Deutsche Grammophon.


Sprecherin: 1. Nun ruhen alle Wälder, / Vieh, Menschen, Städt und Felder, / es schläft die ganze Welt; / ihr aber, meine Sinnen, / auf, auf, ihr sollt beginnen, / was eurem Schöpfer wohlgefällt.


Autorin: Als Kind habe ich dieses Abendlied geliebt. Für uns Kinder war dieses Lied unser Schlaflied. Meine Mutter oder mein Vater setzten sich zu uns ans Bett und sangen.

Und wenn ich ihre Stimmen hörte und die vertrauten Worte,

dann wurde es ruhig in mir und um mich herum.

Wie beruhigend: das immer gleiche Ritual, die immer gleichen Töne und Worte.

Kein Zweifel und keine Sorgen: Es schläft die ganze Welt.


Musik 1: Choral, Strophe 3


Sprecherin (overvoice): 3. Der Tag ist nun vergangen, / die güldnen Sternlein prangen / am blauen Himmelssaal; / also werd ich auch stehen, / wenn mich wird heißen gehen / mein Gott aus diesem Jammertal.


Autorin: „Nun ruhen alle Wälder“ ist ein Lied des evangelischen Theologen Paul Gerhardt. Veröffentlicht wurde es erstmals 1647 in einem musikalischen Andachtsbuch, herausgegeben von dem Berliner Kantor Johann Crüger. Dieser hat dem Lied auch die Melodie gegeben und dafür auf den Choral „O Welt, ich muss dich lassen“ zurückgegriffen.

Im Protestantismus verbreitete sich das Lied schnell und wurde in den 1650er Jahren in viele evangelische Gesangbücher aufgenommen.


In der Zeit der Aufklärung geriet das geistliche Abendlied zunehmend in die Kritik.

Vor allem die erste Strophe mit der pauschalen Formulierung „Es schläft die ganze Welt“ schien einer vernünftigen Natur- und Weltbetrachtung zu widersprechen. Der Theologe Friedrich Schleiermacher sprach von logischem „Unsinn“[1] und bestritt für das Lied jeden „größere(n) kirchliche(n) Werth“[2].


Zur Wirkungsgeschichte von „Nun ruhen alle Wälder“ gehört wohl auch das Abendlied von Matthias Claudius. Quasi als Antwort auf die Position der Aufklärung dichtet Claudius in „Der Mond ist aufgegangen“:


Sprecher: „Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augen sie nicht sehn.“


Autorin: Nein, weder ist der Mond nur halb, noch schläft die ganze Welt. Aber um solche Wahrheiten geht es ja auch nur vordergründig. Denn hintergründig reden die Dichter von Tod und Ewigkeit und laden am Ende des Tages ein, die Sinne auf das Wesentliche zu lenken. Darauf, wie kostbar das Leben ist und dass alle Zeit in Gottes Händen steht.

Das Abendlied „Nun ruhen alle Wälder“ erfreut sich jedenfalls seit 370 Jahren großer Beliebtheit. Es findet sich nun auch in der aktuellen Ausgabe des katholischen Gotteslobs und wird immer noch als Schlaflied gesungen.


Musik 1: Choral, Strophe 8


Sprecherin (overvoice): 8. Breit aus die Flügel beide, / o Jesu, meine Freude, / und nimm dein Küchlein ein. / Will Satan mich verschlingen, / so lass die Englein singen: / »Dies Kind soll unverletzet sein.«


Autorin: Wie haben sie uns das eigentlich antun können, die singenden und betenden Eltern? Ein Jesus mit Flügeln – oder zumindest mit Befehlsgewalt über irgendwelche Flügel.

Wie sollte sich ein Kind denn diesen Jesus vorstellen?

Die Küchlein (gemeint sind Küken) waren in der Version meiner Eltern schon einer kindgemäßen Textversion zum Opfer gefallen. Bei uns zu Hause wurde statt „Küchlein“ „Kindlein“ gesungen.

Der Satan hingegen, der uns Kinder womöglich verschlingen wollte, wurde nicht revidiert. Und leider habe ich bis heute die inneren Bilder von einem Kinder verschlingenden Bösen deutlicher vor Augen als die eines schützenden Jesus.

Auch deshalb habe ich als junge Erwachsene kritisch auf die Erziehungsgewohnheiten der eigenen Eltern schaut. Die ruhenden Wälder wurden mir fremd.


Musik 2: Nun ruhen alle Wälder, von CD (Frauenchor), Interpret: Sjaella , Komponist: Heinrich Isaac, Text: Paul Gerhardt; LC: 03722-Querstand


Autorin: Nun bin ich selbst in einem Alter, in dem ich am Bett meiner Kinder sitze und Lieder zum Einschlafen singe.

Ich kann harmlose Schlaflieder singen von der Nacht, die sich aus Wolken Pantoffeln macht.

Ich kann englische Schlaflieder von der Sommerzeit und dem leichten Leben singen.

Ich kann auch Piratenlieder singen.

Aber seitdem mein fünfjähriger Sohn von mir verlangt hat, dass wenn ich vom aufgegangenen Mond singe, ich auch vom sanften Tod und den stolzen Menschenkindern singen muss; seitdem singe ich auch wieder von den ruhenden Wäldern. Und ich singe auch von Jesus und den Flügeln und vom Satan, der verschlingen will.

Und natürlich versuche ich es besser zu machen als meine Eltern.

Ich rede mit meinen Kindern darüber, wer oder was uns verschlingen könnte

und wer oder was uns schützen könnte.

Ich rede mit ihnen über ihre Ängste vor der Klassenarbeit am nächsten Tag und über die Angst, die beste Freundin im Streit zu verlieren. Solche Ängste bei Einbruch der Nacht können wie ein verschlingender Satan sein. Und wenn ich meine Hände auf die Köpfe meiner Kinder lege, dann sehen sie fast aus wie Flügel. Ein schönes Gefühl, für Mutter und Kind.

Dann hoffe ich, dass sie Ruhe finden. Und die Ruhe der Nacht sie stark macht für den Tag.

Ich hoffe, dass sie im Laufe der Jahre, im Rhythmus aus Tag und Nacht, ihre Sinne schärfen für die Kostbarkeit und die Endlichkeit unseres Lebens. Und dass sie spüren: Unsere Zeit steht in Gottes Händen. Unsere Tage und Nächte sind aufgehoben in Gottes Ewigkeit.



Musik 2:


Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth



[1] F. Schleiermacher, Ueber das Berliner Gesangbuch. Ein Schreiben an Herrn Bischof Dr. Ritschl in Stettin (1830) (KGA I.9,2000, 473-512),503,16.

[2] Ebd. 504,14f.

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