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Kirche in WDR 3 | 22.02.2022 | 07:50 Uhr
Lebensbrot
Guten Morgen.
„Emaillebrotkasten Design 1920.“ – so lese ich in einem Katalog, der mir in den Briefkasten flattert. Bestellt hatte ich ihn nicht, aber irgendein Algorithmus findet, ich gehöre zur Zielgruppe der Werbung. Im Katalog gibt es teure Feinkost, edle Servietten und Kerzenleuchter und eben diesen Brotkasten.
„Wie damals“ - lese ich - „wird das Stahlblech in Handarbeit gezogen, ohne Ecken und Kanten. Gut sauber zu halten. Selbst große Bauernbrote haben darin Platz. (…) Wahlweise mit oder ohne Schriftzug: `Unser tägliches Brot gieb uns heute.`“ Gieb mit ie geschrieben. Design 1920 eben. Eine Bitte aus dem Vater Unser, das in christlichen Kirchen gebetet wird und das schon Jesus gebetet hat.
Zur Zeit Jesu war die Bitte ums tägliche Brot wohl eine der einleuchtendsten Bitten. Heute scheint sie eine reine Designfrage oder Nostalgie zu sein. Am Brotkasten selbst und am Brot darin ändert die Bitte ums tägliche Brot scheinbar nichts. Und kostet auch beinahe nichts: „Ohne Schriftzug“ – 96,95 €“ lese ich. „Mit Schriftzug“ – 99,95 €.
Drei Euro also für die Bitte ums Brot. Das ist die Summe, um die zuletzt das monatliche Arbeitslosengeld II erhöht wurde. Und im Weltmaßstab gilt als arm wer pro Tag weniger als rund drei Euro als Lebensunterhalt hat. Das ist weltweit derzeit fast jeder Zehnte.
Mit der Bitte um‘s Brot hab ich‘s schwer. Vielleicht, weil ich‘s so leicht mit dem Brot habe - und viele andere so schwer. Soll ich denn Gott hineinzieh´n in die gotterbärmliche Ungerechtigkeit zwischen Menschen? Und wozu soll ich etwas erbitten, das ohnehin in Hülle und Fülle da ist? Für mich jedenfalls …
„Selig, sind die Hungernden, denn sie sollen satt werden“ – hat Jesus gesagt. Und als seine Jüngerinnen und Jünger die Leute wegschicken, damit sie sich etwas zu essen kaufen, sagt Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: „Gebt ihr den Leuten zu essen!“
Das tägliche Brot ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Daran hat auch der Reformator Martin Luther erinnert. Zu der Brotbitte im Vater unser schreibt er: „Du aber bedenke und beachte […] Christus hat nicht […] gelehrt, dass man […] beten solle Mein Vater und mein täglich Brot gib mir heute, sondern Unser täglich Brot gib uns heute.“ (1)
Wenn ich Gott ums tägliche Brot bitte, dann tue ich das mit allen und für alle, denen es tatsächlich fehlt und mit allen die hoffen, dass sich dies morgen ändert.
Durch Gott und die Gemeinschaft derer, die so beten.
Als Teil dieser Gemeinschaft wird mir bewusst, wie privilegiert ich bin, wie beschenkt, mich nicht ums Brot sorgen zu müssen und wie wenig ich dafür getan habe.
So gesehen meint Martin Luther gehört zur Bitte ums tägliche Brot dann auch die Bitte um gute Ernte, gutes Wetter, gute Regierung, Gesundheit, Friede, um gute Freunde und manches mehr. All das ist Nahrung für uns und wichtig für unser Leben. Und ich merke, dass ich sogar mehrfach beschenkt bin.
Spätestens das müsste doch auch den Geschmack des Brotes verändern – egal aus welchem Brotkasten. Brot ist Leben, und – wie vieles andere - nicht selbstverständlich.
Genug Brot für alle, wünscht sich
Jan-Dirk Döhling aus Bielefeld.
(1) Deutsche aus Auslegung des Vater Unsers für die einfältigen Laien, in: Luther Deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart herausgegeben von Kurt Aland. Band 5. Die Schriftauslegung, Göttingen 4. Auflage 1990, 204-273, 250.
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze