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Reichsprogromnacht

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Kirche in WDR 3 | 09.11.2022 | 07:50 Uhr

Reichsprogromnacht

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 haben die Nationalsozialisten der Gewalt gegen Juden freien Lauf gelassen. Genauer: gegen jüdische Einrichtungen. Reichspogromnacht heißt sie bis heute. Sie bedeutete den krassen Übergang von der bereits vorherrschenden Diskriminierung hin zur Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung.

Zu den Kulturschaffenden, die davon massiv betroffen waren, zählten Nelly Sachs und Paul Celan. 15 Jahre lang unterstützen sie sich gegenseitig in einem intensiven Briefwechsel, in dem es darum geht: Wie als Überlebende mit diesen traumatischen Erfahrungen überhaupt weiterleben!?

Sprecherin: Lieber Paul Celan, zwei Handschriften gibt es für mich noch auf der Welt, in denen die Buchstaben leuchten. Kommt so ein Wort hier heraufgeflogen, so ist der schlimmste Tag gerettet. Die eine Handschrift gehört meiner Freundin Gudrun, die meiner Mutter und mein Leben rettete, die andere gehört Ihnen. Unter den fast 8 Jahren im von Verrat starrenden Deutschland genügte dieser eine Mensch, die Waage zu halten. Dann kamen Sie mit dem heiligen Wort.[1]






































Lieber Paul Celan, wir wollen uns weiter einander die Wahrheit hinüberreichen.[2] Noch bin ich nicht im Freien, Paul, noch ist das Netz aus Angst und Schrecken, was sie über mich geworfen haben, nicht gelüftet. Aber Gudrun ist hier der Trost.

Sprecher: Ich sehe, das Netz ist noch da, es lässt sich nicht im Handumdrehn entfernen … Und doch: es ist zu entfernen, es kann und soll entfernt werden … Weißt Du noch, wie, als wir ein zweites Mal von Gott sprachen, … der goldene Schimmer auf der Wand stand? … Schau, Nelly: Das Netz wird fortgezogen! Schau, Nelly: da ist die Hand Gudruns, sie hat geholfen, sie hilft! Schau, es helfen noch andere Hände! Schau: die Deine hilft mit! Schau: Es wird hell, Du atmest, Du atmest frei. Du bleibst uns, ich weiß, Du bleibst uns, wir wissens, Du bist, mit allem Dir Nahen, auch mit allem Dir von so weit her Nahen, da und hier und bei Dir und bei uns![3]

Sprecherin: Du lieber Paul, … in der unsichtbaren Heimat leben wir beide. Immer liegen Deine Gedichte bei mir. Vor dem Schlaf abends lese ich, so beten wir.[4]

Die Novembernacht 1938 sollten wir nicht vergessen. Vielleicht möchten auch Sie heute, liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer, in einer Not mit Juden und Christen Psalm 31 beten: „Gott, bei dir habe ich mich geborgen … rette mich in deiner Gerechtigkeit! Du wirst mich befreien aus dem Netz, das sie mir heimlich legten, denn du bist meine Zuflucht.“

Es grüßt Sie aus Aachen

Spiritual Georg Lauscher

[1] Paul Celan/Nelly Sachs, Briefwechsel, Frankfurt 1993, 23.

[2] Ebd. 25.

[3] Ebd. 57f.

[4] Ebd. 103f.

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