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Kirche in WDR 3 | 18.03.2023 | 07:50 Uhr
Geduld als Lebensübung mit Grenzen
Bei einer Sitzung unseres Pastoralteams in Soest war es letztens wieder so weit. Eine unserer Gemeindereferentinnen sagt mit einem Lachen diesen Satz, den wir von ihr schon kennen: „Geduld ist nicht gerade mein zweiter Vorname!“ Sie hat tolle Ideen, aber kann es schlecht ertragen, wenn die Umsetzung nicht so schnell klappt, wie sie sich das vorstellt. Dabei hängt die Umsetzung von vielen Faktoren ab: Oft zeigt es sich, dass Dinge doch nicht so einfach sind, wie es scheint. Die eigene Vorstellung trifft auf abweichende Interessen von anderen Menschen, auf terminliche Hindernisse oder behördliche Probleme. Auf einmal ist eine Idee gar nicht mehr so einfach, stößt überall an Grenzen. Und dann? Dann braucht es zur Umsetzung eine ganze Portion Geduld.
Ich kenne selbst das Gefühl, dass mir diese Portion Geduld fehlt. Da erledigt ein Handwerker die Arbeiten an der Elektrik in der Kirche immer noch nicht, weil die Lieferketten nicht funktionieren und er die richtigen Teile nicht hat. Eine Kollegin antwortet einfach nicht auf die E-Mail, so dass ich mit meinem Plan nicht weiterkomme. Und dann? Nicht selten sucht sich die Ungeduld ein Ventil und das heißt: Aggression. Die richtet sich dann gegen die anderen, die meine Geduld strapazieren.
Es gibt aber auch den Fall, dass ich mit mir selbst ungeduldig bin: Da verstehe ich das neue Computerprogramm einfach nicht, obwohl es selbsterklärend sein soll. Oder ich halte nicht durch, wenn es um bessere Ernährung und mehr Bewegung geht. Auch dann kann Aggression ein Ventil sein, Aggression gegen mich selbst.
Schließlich muss ich bekennen: Ich bin auch ungeduldig mit Gott. Dann frage ich mich: Warum hört er die vielen Gebete um den Frieden nicht und beendet das kriegerische Geschehen in der Ukraine? Warum sendet er nicht seinen Heiligen Geist in der Kirche an Stellen, von denen ich meine, dass es richtig wäre? Wann sendet er mir endlich ein Zeichen seiner Gegenwart? Ja – da kann ich auch aggressiv gegen Gott werden.
Eigentlich zeigt sich aber in allen Fällen: Ungeduld ist meine Reaktion darauf, dass ich mit meinen Vorstellungen an Grenzen stoße. Und diese Ungeduld, bringt mich aus dem Gleichgewicht, macht mich aggressiv. Wie aber damit umgehen?
Von den Grenzen und der nötigen Geduld, sie zu ertragen, erzählt der geistliche Schriftsteller Andreas Knapp in einem Buch über den heiligen Charles de Foucauld, das mich sehr angesprochen hat. Im Hinblick auf diesen französischen Heiligen formuliert er: „Es gehört zu den großen Herausforderungen der menschlichen Existenz, die eigene Begrenztheit und Ohnmacht anzunehmen.“[1] Charles de Foucauld, der sich nach einem sehr bewegten Leben schließlich in der Sahara als Eremit niederlässt, ist ungeduldig mit sich und seiner Nachfolge Christi. Er muss immer wieder lernen, dass seine hohen Ideale geerdet werden. In diesem Zusammenhang zitiert Andreas Knapp eine orientalische Weisheit. Sie lautet: „Liebe ist Geduld mit den anderen. Hoffnung ist Geduld mit sich selbst. Glaube ist Geduld mit Gott.“[2] Ich finde das einen ganz wunderbaren Gedanken. Weil sich in der Geduld die drei zentralen Herzensbewegungen zeigen: Glaube, Hoffnung und Liebe
Geduld als eine Haltung zu verstehen und einzuüben, die nicht aufgibt, die aktiv wartet, die Grenzen anerkennt. Geduld, die um Entwicklungen weiß, die möglich sind, auch wenn ich sie im Moment nicht sehe oder beeinflussen kann. Geduld heißt nicht, es ist mir egal was wird. Geduld hält einfach viel offen in meinem Verhältnis zu mir, zu den anderen und zu Gott.
Wie hieß es noch in der orientalischen Weisheit: „Liebe ist Geduld mit den anderen. Hoffnung ist Geduld mit sich selbst. Glaube ist Geduld mit Gott.“
Und was das bedeuten kann, Geduld im Umgang mit den eigenen Grenzen zu haben, davon spricht noch einmal Andreas Knapp. Er sagt: „Bejahte Grenzen schaffen Frieden: Frieden mit mir selbst, denn ich muss mich nicht dauernd überfordern. Frieden mit anderen, wenn wir gegenseitig unsere Lebensräume und Verantwortlichkeiten respektieren. Und schließlich: Frieden mit Gott, indem wir uns zufrieden geben mit den Gaben und Grenzen, die uns geschenkt und zugemutet sind.“[3]
So gesehen birgt Geduld die Chance zu umfassendem Frieden, bedarf aber eines lebenslangen Trainings. Aus Soest grüßt Sie Propst Dietmar Röttger.
[1] Andreas Knapp, Wer alles gibt, hat die Hände frei – Mit Charles de Foucauld einfach leben lernen, 2021; bene! Verlag, Seite 89.
[2] Ebd. Seite 91.
[3] Ebd. Seite 93.