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Kirche in WDR 3 | 31.03.2023 | 07:50 Uhr
Weggefährtinnen
Warum mache ich das hier? Warum bin ich für Kirche unterwegs? Bockig sitze ich auf meinem Bürostuhl und schmolle. Ich versinke in einer herrlichen Selbstmitleidsoße. Nach dem ich mich darin gesuhlt habe, wie eine Sau im Matsch, denke ich: Mach in deinem Handy die Playlist für diese Fälle an und schüttel den Matsch des Tages ab. Gesagt getan.
Musik: Erobique – Urlaub in Italien (0:00 bis 0:15)
Keine 15 Sekunden braucht dieses Lied und mein Büro ist
mental gefüllt mit den Leuten von meiner
letzten Weiterbildung. Knapp 30 Menschen waren wir, erfüllt von diesem ganz
besonderen „da geht noch was“! „Lass es uns anpacken“! Zwei Jahre haben wir
uns in einer echten „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Haltung immer wieder gesehen und haben gelernt,
gegessen, geträumt und Ideen geteilt. Eine ziemlich bunte Truppe: Aus den
unterschiedlichsten christlichen Kirchen und Gemeinschaften. Ich muss an die
wunderbaren Sprachfärbungen denken. Norddeutsch, ostdeutsch, Süddeutsch ... aus
allen Ecken waren wir zusammengekommen. Und alle sind jetzt mental in meinem Büro, lachen, stupsen mich an und ich
weiss: Genug gesuhlt im Dreck. Pack die Sachen in die Schränke, mach für heute
Schluss. Morgen ist ein neuer Tag. Ich drücke noch einmal auf das Lied und
tanze und räume so mit meinen Leuten alles auf. Auf meiner "Sind alle
Fenster zu?" - Runde
durch die
Kirche und die damit verbundenen Gemeinderäume, ist es wieder still. Das Lied
ist aus, alles aufgeräumt. In meinem Kopf gibt es einen Ohrwurm.
Urlaub, Urlaub in Italien ...
Zufrieden bin ich jetzt. Im inneren Frieden angekommen. Mein Blick fällt auf das Ulmenkreuz von Klaus Simon. Der Zufall wollte es, dass in diesem Kreuz ein eingekapselter Granatsplitter zu sehen ist. Man sieht, dass an dieser Stelle das Holz eine Verletzung davon getragen hat. Mit der Verletzung hat dieser Baum weitergelebt. Er ist nicht daran gestorben. Mich hat kein Granatsplitter getroffen und ich bin gut aus dem Tag gekommen. So wie der Baum den Splitter in sich verkapselt hat, so habe ich den Tag eingepackt, weggeräumt und mit Energie beendet, im inneren Frieden. Spät in der Nacht auf der Bettkante denke ich: wie gut, dass es Weggefährt:innen gibt, die einen aus dem Dreck ziehen in dem man sich gesuhlt hat.
Ich wünsche Ihnen für heute Abend ein besseres Tagesende. Eins ohne Selbstzweifel und Selbstmitleidsoße. Eins wünsche ich Ihnen auf jeden Fall: Einen Tag mit Weggefährt:innen! Ohne diese ist es viel schwerer aus einem Tal herauszuklettern. Gott sei Dank gibt es Menschen die mit einem gehen.
Anne Hermanns-Dentges, Krefeld