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Kirche in WDR 3 | 12.05.2023 | 07:50 Uhr
Treppenstein-Gebet
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich liebe meinen Job als Internats- und Schulseelsorgerin. An fünf bis sechs Tagen in der Woche tröste, bete, berate und organisiere ich sehr gerne. Und ich liebe meine Familie: Ich kann mir ein Leben ohne meine Kinder und ohne meinen Mann nicht vorstellen. Aber, wenn mal wieder bei der Arbeit die Hardware streikt und ein einfacher Druckauftrag nicht durchgeht oder, wenn binnen eines Monats zum zweiten Mal die Magen-Darm-Viren ihr Unwesen bei den Kindern treiben – dann ist mir manchmal einfach alles zu viel. Dann brauche ich Abstand.
Auf dem Treppenstein nach der Joggingrunde kann ich am besten beten und muss manchmal schmunzeln. Ein bisschen ungewöhnlich: Gott und ich treffen uns meist in diesen Momenten auf dem Treppenstein. Nach der Joggingrunde, den Blick auf die Wiesen und Felder gerichtet. Vielleicht könnte man es Treppenstein-Gebet nennen.
In der Bibel hören
wir davon, dass Jesus Gott in der Wüste oder auf einem Berg gefunden hat – in
einsamen und stillen Momenten. Wir hören oft davon, dass er Menschen heilte und
vom Reich Gottes erzählte. Da sich seine Taten schnell rumsprachen, bildeten
sich um ihn große Menschenmengen.
Zwischen Gleichnissen, Predigten und Wundertaten ist immer wieder auch
die Rede davon, dass er sich zurückzieht, in die Wüste geht und betet. Alleine.
Und das ist gar nicht mal so unbiblisch. Da ist Gott auch nicht nur im Tempel anzutreffen, sondern an Orten der Einsamkeit: In der Wüste, auf Bergen, oder in einer einsamen Kammer – wie bei Maria. Jesus, hat sich immer an einen „einsamen Ort“ zurückgezogen, heißt es in den Evangelien. Er brauchte diese Auszeiten. Klar, er hat Menschen geheilt und vom Reich Gottes erzählt. Und weil er das ziemlich erfolgreich gemacht hat, sind große Menschenmengen zusammengelaufen. Aber gleich am Anfang vom Markusevangelium ist zu lesen, wie er sich nach Gleichnissen, Predigten und Wundertaten zurückzieht. An einen einsamen Ort. Alleine- auch wenn noch nicht alles getan ist.
Mein einsamer Ort ist der Treppenstein – nach der Joggingrunde am Freitagmorgen.
Wo und wie können
Sie sich erholen? Das kann in einer Kirche, in einem Konzert, auf dem
Treppenstein vor Ihrem Hauseingang oder an einem ganz anderen Ort sein. Ich
glaube, dass es für jeden einen anderen idealen Ort gibt, um runterzufahren und
sich selbst und vielleicht auch zu Gott zu finden.
Vielleicht haben sie an diesem Wochenende ja
Zeit an diesem für sie perfekten Ort zu sein. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen aus dem Seelsorgebüro der Loburg
in Ostbevern einen guten Start ins Wochenende.