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Kirche in WDR 3 | 19.06.2023 | 07:50 Uhr

Stürzende Gewölbe

Guten Morgen!

Eigentlich müsste er stürzen. Oder: Wie hält das alles noch zusammen? Die Frage kommt mir immer wieder morgens auf dem Weg von meinem Kloster in Duisburg nach Köln. Denn dann laufe ich die letzten Meter vom Kölner Hauptbahnhof zu meinem Büro und komme unmittelbar am Kölner Dom vorbei.

Jedes Mal staune ich über die Westfassade mit den gigantischen Türmen. An denen kann ich mich einfach nicht sattsehen. Da kommen einfach der Kunsthistoriker und der Theologe in mir durch – beide sind immer wieder aufs Neue fasziniert von diesem riesigen Fingerzeig in den Himmel. Dabei sehe ich den Dom immer etwas anders. Ein wenig ist er wie eine Art Seelenspiegel. Meine Gefühlslage spiegelt sich im Dom. Denn er ist nicht nur erhaben und zieht mich hoch.

Seit einiger Zeit beschleicht mich nämlich ein anderes Gefühl, wenn meine Blicke sich an der Turmfassade hinaufhangeln: Dieser dunkle Gigant wirkt auf mich durchaus bedrohlich und zeigt mir, wie klein und ohnmächtig ich im Vergleich dazu eigentlich bin. Nun, ich will das nicht gleich alles symbolisch deuten: die Kirche, die einen erheben oder auch klein machen kann. Es ist erst einmal ein Gefühl, das ich habe angesichts der Größe und düsteren Farbe der Architektur. Gleiches erfahre ich übrigens auch vor dem Fernsehturm in Düsseldorf. Nur ist der nicht so düster – und ich komme da auch nicht so oft vorbei.

Vielleicht liegt das Bedrohliche solch hoher Bauwerke auch darin, dass bei ihnen von oben etwas herunter fallen könnte oder sie sogar einstürzen könnten. Aber keine Angst, die Kölner Dombauhütte sorgt jeden Tag dafür, dass Schäden möglichst schnell behoben werden. Und trotzdem: Manchmal stelle ich mir morgens auf dem Weg zum Büro die Frage, wie das alles zusammenhält. Und vor allem im Inneren des Domes: Wie halten diese hohen und weiten Gewölbe zusammen – ohne einzustürzen. Aus der Geschichte des Kirchenbaus weiß ich, dass es da viel Versuch und Irrtum gab. Die Kathedrale im Französischen Beauvais z.B.: Die gilt als der „Turmbau zu Babel“ der Gotik. Sie ist immer wieder eingestürzt und steht heute ohne Turm da. Zugegeben: Der Kölner Dom wurde mit seinen Türmen ja auch erst vor 140 Jahren vollendet. Aber: Er steht auf den massiven Fundamenten, die Meister Gerhardt schon 1248 anlegen ließ. Und die halten dieses riesige Bauwerk bis heute. Es hat allerdings lange gedauert, bis die mittelalterlichen Baumeister in der Lage waren, solche großartigen Gewölbe in schwindelnder Höhe zu errichten. Wie oft wird da was eingestürzt sein, bevor alles seinen richtigen Halt gefunden hat. Und auch da kann ich nur staunen, finde es erhaben und fühle mich doch auch wieder ohnmächtig, klein und bedroht. Gemischte Gefühle sind das eben, und je nach Tagesverfassung dominiert bei mir das eine oder andere Gefühl.

Bei dem großen deutschen Dichter und Dramatiker Heinrich von Kleist habe ich eine interessante Bemerkung gefunden, in einem Brief vom 16. November im Jahre 1800. Da beschreibt er, wie er in Würzburg einmal durch ein großes Gewölbe geht. Kleist ist deprimiert fast depressiv. Er sieht zunächst in dem Bild der untergehenden Sonne auch sein Glück untergehen. Ja mehr noch: Der Gedanke bedrückt ihn, einmal alles zu verlieren, was ihm lieb und teuer ist, spätestens dann, wenn er sterben muss. Offensichtlich fühlt er sich auch ohnmächtig und klein. Dann aber fragt er sich:

„Warum, dachte ich, sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat? Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen – und ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn alles mich sinken läßt.“

Klingt verrückt, ja fast paradox: Halt im Sturz finden, weil alles stürzt. Aber der Gedanke ist eigentlich sehr biblisch, denn der Apostel Paulus sagt (2 Kor 12,10): „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark!“

Sollte das nicht Trost und Zuversicht geben angesichts der Erfahrung ohnmächtig und klein zu sein, wenn alles einzustürzen scheint?!

Zuversichtlich grüßt Sie Pater Philipp Reichling aus Duisburg


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