Beiträge auf: wdr3
Kirche in WDR 3 | 19.07.2023 | 07:50 Uhr
1000 Jahre ausruhen
Auf einer Feier an einem Maiabend trafen wir uns. Wir, das sind in diesem Falle der Antonius und ich. Antonius ist Restaurator und im Hobby ein passionierter Jäger, ich bin Seelsorger. Unsere Geschichte und wie es „unsere Geschichte“ wurde, wäre alleine schon eine Erzählung wert. Auch da hatte das Leben grade auf krummen Wegen geschrieben. Aber: darum soll es ja jetzt gar nicht gehen! Mit Antonius hatte ich an diesem Abend so gar nicht gerechnet und so kamen wir sofort ins Gespräch.
Weil er hier und da meine Beiträge hört und diese kritisch betrachtet, aber auch die ganze Großwetterlage unserer Kirche, hat Antonius zu mir gesagt: „Du… ich muss dir mal was erzählen…“ – Und das tat er dann und ich, ich hing an seinen Lippen.
Einen Freund hat er vor kurzem zu Grabe tragen müssen. Die beiden haben in jungen Jahren eine wichtige Zeit zusammen verbracht. Eine Zeit, die so nicht wieder kommt, voller Tatendrang und bis oben hin voll mit Erlebnissen und Erfahrungen. Und daher war die Beerdigung so schwer. Und die beiden hatten wohl schon lange vorher mal über das gesprochen, was kommt, nach dem letzten Tag. Sie wissen schon: jener Tag, der keinen Morgen mehr kennt… also nach dem Tod. Da gab es, so sagte er, durchaus unterschiedliche Wahrnehmungen, Vermutungen und Überzeugungen.
Ich kenne das nur zu gut. Im letzten Jahr habe ich selber an besonderen Gräbern gestanden und habe Abschiede feiern müssen, die haben mich aufs Herz getroffen. Da kommt auch in mir der Zweifel hoch und die Frage: „War das alles?“ und viel wichtiger: Wie geht das weiter an dem Ort, den wir oft so leicht „die Ewigkeit“ nennen?
Genau das Thema von Antonius und er hat wohl seinem Freund damals gesagt: „Du, ich weiß das selber nicht… aber stell dir mal die Ewigkeit vor. Und dann noch all das, was wir hier schon stundenlang und mit wachsender Begeisterung tun konnten.
„Erst mal tausend Jahre ausruhen! Dann vielleicht mal tausend Jahre auf die Jagd gehen“ (denn Antonius, das müssen Sie wissen, ist Jäger und liebt den Wald und die Natur). Dann wieder tausend Jahre ausruhen und vielleicht 1000 Jahre quatschen.“
„Was für eine Vorstellung“, habe ich bei mir gedacht. Und eigentlich gefällt mir dieses Bild. Er stellt mir ja vor Augen: Von der Fülle die uns erwartet, kann man sich gar kein Bild machen. Aber schön, schön stell ich es mir vor. Nicht grade auf der Jagd… aber das macht ja Antonius schon.
Vor einigen Monaten starb der niederländische Theologe und Dichter Huub Oosterhuis. Ich mag seine Texte. Ein solcher Text kam mir an dem Abend neulich in den Sinn. Oosterhuis schreibt:
SPRECHER
,,Es wird in aller Frühe sein, wie einst.
Der Stein ist weggerollt. Ich bin aus der Erde auferstanden.
Meine Augen können das Licht ertragen.
Ich gehe und stolpre nicht.
Ich spreche und verstehe mich.
Wir wachen auf vom ersten Licht, als ob jemand uns mit vollem Namen hat gerufen.
Und dann, dann werd ich leben."
An diesem Sommertag heute will ich versuchen, auf diese Zukunft hin zu leben. Ich will versuchen, mit allen Sinnen diese Welt wahrzunehmen und die Schöpfung, meine Begabungen und Leidenschaften. Und weil Gott uns ja diese Ewigkeit schenken wird, fang ich heute schon mal an… nicht 1000 Jahre lang, aber eben heute.
An diesem Mittwoch grüßt sie Bastian Rütten, aus Kevelaer am Niederrhein.
