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Kirche in WDR 3 | 14.06.2023 | 07:50 Uhr
Die Tankstelle
Guten Morgen!
Als Kind war die Tankstelle auf der Autobahn mein kleines persönliches Paradies. Nach einer langen Autofahrt Richtung Italien endlich auftanken. Und zwar in fast jeder Hinsicht. Vielleicht eine Portion Pommes, eine Limo, was Süßes, ja und vielleicht noch ein Comicheft. Am besten eins, wo noch so ein wunderbar überflüssiges Beigeschenk drangeklebt war. Eine Wundertüte, eine Lupe, eine tanzende Bohne oder oder… Und wenn die Sommersonne auf die Tankstelle schien, war das irgendwie schon der Anfang vom Urlaub, den wir in der Regel ja noch vor uns hatten…
Denkt man ein bisschen über das Phänomen „Tankstelle“ nach, fällt aber auf, dass es an der „Tanke“ eines nicht gibt: Ein Gespräch, wenn ich es dringend brauche. Also jemand, den ich bei Bedarf einfach ansprechen könnte. Eine Art „Seelsorge to go“ – oder einfach ein offenes Ohr. Denn für viele Menschen ist die Reise auf der Autobahn nicht mit einer so schönen Perspektive wie ein Sommerurlaub verbunden. Klar, Essen, Trinken, vielleicht Lesestoff gehören zur Grundversorgung auf langer Fahrt. Aber ein Gespräch von Mensch zu Mensch doch auch. Allein im Auto, geht mir viel durch den Kopf. Ich denke mir, dass es viele Reisende gibt, denen das so geht. Da ist eine allein statt wie geplant zu zweit auf dem Weg in den Urlaub. Ein anderer im LKW beim Transport von Gütern durch Europa unterwegs, weit weg von seinen Lieben. Zwei andere auf dem Weg zu einer Beerdigung…. Die möchten vielleicht auf ganz andere Weise auftanken an der Tanke. Nämlich bei einem Gegenüber. Nicht nur auf Autobahnen. Überall sonst.
Eine echte Tankstelle wäre für mich persönlich auch ein Ort, der mich mit Menschen in Berührung bringt, mit denen ich meinen Glauben teilen könnte. Überall da, wo ich mit anderen, die glauben, zusammen bin und Zeit verbringe: für ein kurzes Gespräch, ein Lied oder ein gemeinsames Gebet oder um einfach „stille sein“ zu können. Solche Orte gibt es – nicht nur an der Autobahn als Autobahnkapelle – es gibt zahlreiche Kirchen an fast jedem Ort. Diese besonderen Tankstellen sind im Übrigen fast immer frei zugänglich. Orte für alle, die mehr suchen als Essen und Trinken. Und auch wenn dort gerade kein Mensch vor Ort sein sollte, so könnte es doch Gott selber sein, mit dem ich ein Gespräch führe. Wenn Sie also mal auf Ihrem Weg an einer der vielen kleinen oder großen Kirchen vorbeikommen sollten, fühlen Sie sich eingeladen, hier aufzutanken.
Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
