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Kirche in WDR 3 | 27.06.2023 | 07:50 Uhr
Kreativ
Guten Morgen!
Schwester Heike von der ambulanten Diakonie ist mit ihrem Dienstfahrzeug unterwegs und merkt auf einmal: „Ich hab vergessen zu tanken.“ Spontan ändert sie ihre Route, um noch mit dem letzten Tropfen Benzin an die nächstgelegene Tankstelle zu kommen. Aber es ist zu spät – ihr Wagen bleibt mitten auf der Landstraße liegen. Sie muss nun in ihrer weißen Pflegekluft aussteigen, zu Fuß zur nächsten Tankstelle laufen, dort einen Kanister kaufen – den gibt es in ihrem Dienstwagen nämlich auch nicht - Benzin einfüllen und dann wieder zum Wagen zurücklaufen. Nach einer guten Viertelstunde ist Schwester Heike an der Tankstelle angekommen. Man kennt sich. Schwester Heike hat kürzlich noch jemanden aus der Familie des Tankstellenbesitzers gepflegt. Sie erzählt von ihrem Malheur. Der Tankstellenbetreiber fühlt mit, nur kann er Schwester Heike nicht helfen. Alle Benzin-Kanister sind gerade ausverkauft. Da kommt Schwester Heike auf die Idee: „Können wir nicht den Nachttopf nehmen, der müsste doch noch bei Ihnen im Haus sein…“ Naja, und wie man damit umgeht, das weiß sie als Pflegekraft am besten.
„Ja, klar“, sagt der Tankstellenbesitzer. „Der Nachttopf ist noch da.“ Ruft seine Frau an, die ihn vorbeibringt. Der Nachttopf wird mit Benzin befüllt und Schwester Heike zieht mit ihrer kostbaren Fracht los, zurück zu ihrem Wagen mit der Aufschrift der ambulanten Pflege. Da endlich wieder angekommen füllt sie ganz behutsam den Inhalt des Nachttopfes in ihren Tank. In dem Moment kommt ein LKW angerauscht. Der Fahrer sieht die weißgekleidete Diakonie-Schwester mit dem Nachttopf hantieren, hält neben ihrem Wagen an, kurbelt die Scheibe herunter und ruft der guten Frau zu: „Hallo Schwester – ihren Glauben möchte ich haben…!“
Ich bin mir nicht so sicher, ob der LKW-Fahrer wirklich ihren vermeintlichen Wunderglauben haben möchte – oder ob er sich nicht eigentlich über die gute Frau lustig macht. Ich kann mir gut vorstellen, wie er am Abend in einer leicht angesäuselten Runde seine unglaubliche Geschichte zum Besten gibt: „…von der Krankenschwester, die mit einem Nachttopf in der Hand am Einfüllstutzen ihres Wagens steht …hahaha!“
„Hallo, Schwester, ihren Glauben möchte ich haben.“ Dieser Satz bezieht sich ja auf ein vermeintliches, aber eher unwahrscheinliches „Wunder“ – dass Jesus vielleicht Urin zu Benzin verwandeln kann -so wie einstmals Wasser in Wein. So wird der christliche Glaube immer wieder falsch verstanden und man macht sich lustig. Der wahre Glaube aber besteht darin: Ich rechne damit, dass Gott mir einen Weg aus meiner Not zeigen kann, er lässt mich nicht hängen. Dass Gott für mich sorgt durch kreative Eingebungen - wie die mit dem Nachttopf als Ersatz für einen Kanister, der sich nicht auftreiben lässt. Auch auf die Gefahr hin, dass es lächerlich aussehen könnte. Schwester Heike ist für die anderen da und Gott ist für sie da – damit sie anderen beistehen kann. Und das hat mit Kreativität zu tun – und die ist Wunder genug.
Ich wünsche ihnen einen Tag mit wundervollen, kreativen Ideen – selbst, wenn diese Ideen anderen Leuten lächerlich vorkommen sollten.
Ihr Eberhard Helling aus Lübbecke.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
