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Kirche in WDR 3 | 16.11.2023 | 07:50 Uhr
Ist Gott queer?
Guten Morgen!
„Gott ist queer.“ Ein Satz in einer Predigt auf dem Kirchentag in Nürnberg in diesem Sommer. Pastor Quinton Ceasar hat dafür viel Beifall bekommen. Und hasserfüllte Reaktionen.
Über seine Predigt darf und soll man diskutieren, auch streiten.
Dass sich das Kirchentagspräsidium angesichts der menschenverachtenden Kommentare hinter Quinton Ceasar gestellt hat, ist selbstverständlich. Doch die extremen Reaktionen – begeisterte Zustimmung, wütende Ablehnung – solche Reaktionen blockieren ein fruchtbares Gespräch. Dieses Gespräch ist aber notwendig.
Also: Ist Gott queer? Queer nennen sich zum Beispiel Menschen, die sich nicht einem Geschlecht zugehörig fühlen, die sich also nicht als männlich oder weiblich bezeichnen. Queere Christen fordern, als Christen anerkannt und gleichberechtigt zu sein. Gut so. Denn: Gott hat alles geschaffen, Mann und Frau und alle anderen dazwischen.
Gott passt nicht in menschliche Vorstellungen und Bilder.
Der Begriff „queer“ steht gegen zweigeschlechtliche menschliche Kategorien. Queere Christen berufen sich auf anerkannte theologische Grundsätze wie: Gott ist ganz anders. Gott lässt sich nicht in menschliche Schubladen pressen. Gott ist unverfügbar für menschliche Normen und Bewertungen.
Aber der Begrifft „queer“, ist der nicht auch wieder genau das: eine menschliche Norm und Bewertung? Wenn Gott „queer“ ist, entzieht er sich zwar der zweigeschlechtlichen Kategorie männlich - weiblich. Aber wird er nicht in eine neue Schublade eingesperrt?
„Gott ist…“ – Sätze, die so beginnen, haben schon viel Unheil angerichtet. Nicht umsonst steht das Bilderverbot gleich am Beginn der Zehn Gebote. Angesichts der Unbegreiflichkeit Gottes neigen Menschen dazu, sich ein Bild von ihm zu machen. Davon wird in der Bibel erzählt. Und zugleich bieten die biblischen Texte eine Fülle sprachlicher Bilder: Da heißt es keineswegs nur Herr oder König, sondern auch Vater, Mutter, Hirte, Sonne und Schild (Psalm 84,12), meine Burg, meine Zuflucht und vieles mehr. Das Risiko dabei: Wir sperren Gott in das Gefängnis unserer begrenzten Vorstellungskraft ein. Ich kann Gott auf kein Bild festlegen. Nicht auf ein Geschlecht, weder männlich noch weiblich noch dazwischen. Und so leuchtet in der Bibel eine wunderbare Freiheit auf: Ich habe eine Fülle von Möglichkeiten, Gott zu denken, mit ihm zu sprechen, ihm nahe zu kommen. Unmittelbar kann ich das durch Jesus Christus, der – wie ich – als Mensch geboren ist. Er hat so gelebt und so von Gott erzählt, dass ich durch ihn etwas von Gottes Wesen erkenne: Er wendet sich mir liebevoll zu. Er gibt mir Würde, unabhängig von dem, was ich bin – ob Mann oder Frau oder divers, schwarz oder weiß, alt oder jung und welche Unterschiede es noch geben mag. Er ist nicht unnahbar, sondern teilt mein Leben. Ich kann nicht über ihn verfügen, aber ich habe Grund zur Hoffnung, dass er mitten unter uns ist.
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und WDR 5:)
Dass Sie heute etwas von dieser Hoffnung spüren, wünscht Ihnen Ihr Andreas Duderstedt aus Lemgo.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze