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Kirche in WDR 3 | 27.11.2023 | 07:50 Uhr
Schlüsselerlebnis
Guten Morgen.
Vor kurzem sind wir auf Tournee im Süden Deutschlands.
Nach einem wunderbaren Abend mit Musik und Gespräch hat man uns ein paar Dörfer weiter in einem Hotel einquartiert. Wir kommen erschöpft und glücklich irgendwann nach Mitternacht an. Den Schlüssel hat man uns bereits im Vorfeld übergeben. Ich schleppe noch Koffer und Gitarren aus dem Auto, meine Frau sucht schon das Zimmer, irgendwo ein paar gewundene Treppen höhergelegen. Plötzlich kommt sie mit diesem unguten Erstaunen in den Augen wieder runter. Die Müdigkeit ist dem Schock gewichen. „Da liegt schon ein Paar in unserem Bett.“
Ich kann das erst gar nicht glauben: „Wie, da liegt jemand?“ – „Ja und als ich reinkam, sind sie aufgewacht!“, sagt meine Frau. Es besteht kein Zweifel: Ja, der Schlüssel stimmt. Die Zimmernummer ist die richtige. Aber unser Zimmer ist besetzt – und jemand anders denkt wohl, es sei ihr Raum. Irgendwo in der Fremde, müde und nach Mitternacht stehen wir jetzt da ohne Schlafstätte… Es ist ein seltsames Gefühl. Das ganze Dorf scheint zu schlafen, nur wir nicht. Und die Rezeption ist längst nicht mehr besetzt.
Meine Frau schüttelt noch den Kopf und meint, jetzt hast du wieder eine Geschichte fürs Radio. Und tatsächlich, mit diesem Gefühl des Ausgeschlossenseins blitzt mir der Gedanke an ein Wort durch den Kopf, das Jesus den Menschen, die ihm nah waren, zugesagt hat: „Im Haus meines Vaters, sind viele Wohnungen.“ (nach Johannes 14,2) In anderen Worten: Komm zu mir nach Hause. Da ist Raum. Platz satt. Nein, nicht besetzt. Niemand liegt schon in deinem Bett, weil du zu spät bist. Ganz im Gegenteil. Gott hat kein Hotel, in dem du vorübergehend Gast sein kannst. Bei Gott darfst du immer zu Hause sein.
Manche denken, wenn sie von Gott hören an Enge. An Grenzen und Gesetze, an klein-klein. Und ich kann sie verstehen. Zu oft haben wir Gott kleingeredet. Begrenzt in unseren Erzählungen, unseren Vorstellungen und Bildern. Als ob wir die Wunderbare, den Unglaublichen, Gott die Mutter, Gott den Vater, das Geheimnis, irgendwie in den Griff bekommen wollen – aber nicht können.
Ich glaube an Gott der Raum schenkt. Weite. Einen Gott voller Gastfreundschaft und Großherzigkeit. Gott, die aufatmen lässt und bei der ich mich neu entdecken darf. Befreiend. Wundervoll. Zeitlos. Gott der mich halten und aushalten kann. Mir in all meiner Menschlichkeit – mit kraftvoller Liebe begegnet.
Übrigens. Am Ende haben wir durch eine Seitentür einen Weg in die kleine Rezeption gefunden. Und dort einen Schlüssel und ein Zimmer mit einem Bett, das unbelegt war. Versehentlich - stellte sich am nächsten Morgen heraus -, hatte das Hotel wohl einen Zweitschlüssel herausgegeben. Passiert. Gott sei Dank haben wir gut geschlafen, eine Stunde weniger, aber eine Geschichte, ein Schlüsselerlebnis mehr im Gepäck. Ach, Gott sei Dank, bist du kein Hotel an dem ich nur ab und an vorbeischaue, sonntags oder so – sondern zu Hause im ganzen Leben. Danke, für den Raum den du schenkst.
Auch Ihnen wünsche ich wunderbare Schlüsselerlebnisse mit Gott. Patrick Depuhl aus Alpen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze