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Kirche in WDR 3 | 21.12.2023 | 07:50 Uhr
Vor-Freude
Ich arbeite als Lehrer und Schulseelsorger an den Michelsschulen mitten in Paderborn. Zurzeit wird bei uns mächtig gebaut. Ein neues Gebäude soll entstehen, mit einer schönen Cafeteria und weiteren dringend benötigten Klassenräumen. Bis das alles fertig ist, dauert es aber noch. Momentan haben wir eine Großbaustelle. Das bringt so mancherlei Veränderung mit sich. Um zum Lehrerzimmer zu gelangen, muss ich z. B. oft einen Riesenumweg nehmen. Ein großer Container steht auf dem Schulhof, in dem nun die Mensa und sechs Klassen provisorisch untergebracht sind; wir alle, die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Schülerinnen und Schüler, müssen uns an die Baustellensituation gewöhnen. Und wir müssen flexibel sein, denn irgendetwas läuft immer anders als geplant. Und dazu kommt manchmal ein schrecklicher Baulärm. Der stört den Unterricht und: der nervt – bei aller Vorfreude auf die neuen Räume.
Neulich ging ich wegen des Lärms etwas gestresst durch die Eingangshalle unserer Schule und hörte – nein, nicht mehr den Krach der Baustelle, sondern nahezu himmlische Klänge: Klaviermusik erfüllte das Treppenhaus! Und das Klavier stand unter der Treppe! Daran ein Schüler, der sich im Klavierspiel selbst übertraf. Ich habe zugehört. Das gab mir neue Kraft. Energisch gespielte Töne von Beethoven brachten mich sofort auf andere Gedanken. In wenigen Sekunden war ich gut „gestimmt“ und konnte mit neuer Energie in den Unterricht gehen. Erfüllt mit „innerer Freude“.
Wie kam es zur Musik im Treppenhaus? Durch den Umbau wurden auch die Musikräume unserer Schule verlegt und neu ausgestattet. Der Elternförderverein hatte ein neues Klavier spendiert. So blieb ein alter „Klimperkasten“ übrig. Dieses Instrument wurde dann unter der besagten Treppe abgestellt. Natürlich hat das einige musikalische Schülerinnen und Schüler sofort angelockt. Hier dürfen sie seitdem ihr Können unter Beweis stellen. Egal ob eine einfache Etüde oder ein anspruchsvolles Stück von Chopin – ganz oft spielt da jemand auf dem alten Klavier. Die Wirkung ist enorm. Manche Leute bleiben stehen, und es gibt hier und da sogar Applaus. Lernstress und Lärmstress sind vergessen – wenigstens für eine kurze Zeit. Die Musik zaubert vielen ein Lächeln ins Gesicht und Freude ins Herz.
Wir brauchen gerade in diesen vorweihnachtlichen Tagen solche Kraftquellen der inneren Freude. Das sind manchmal nur kurze Augenblicke im Alltag. Das muss auch nicht unbedingt Musikhören sein. Wenn ich z.B. in der Innenstadt einkaufe, setze ich mich gern mal für zehn Minuten in eine Kirche und genieße die Stille. Oder ich bleibe bewusst zu Hause und gestalte den Abend für mich mit einem guten Buch und einem Glas Wein. Die innere Freude passt gut zum Advent und kommt auch in einer biblischen Geschichte zum Ausdruck: Der Evangelist Lukas erzählt, wie sich Maria, die mit Jesus schwanger ist, auf den Weg macht, um ihre Cousine Elisabeth zu besuchen. Auch diese ist guter Hoffnung, und „als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib“ (vgl. Lk 1,44). Der kleine Johannes freut sich schon im Mutterleib auf die Ankunft des Erlösers. Und auch Elisabeth und Maria spüren tief in ihrem Inneren diese große Freude.
Ich wünsche Ihnen heute und in diesen Tagen vor Weihnachten solche Momente der inneren Freude – auch inmitten des Lärms und der Hektik, die gerade diese Zeit mit sich bringt.
Ihr Pastor Achim Hoppe
