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Kirche in WDR 3 | 26.12.2023 | 07:50 Uhr
Es ist ein Ros entsprungen
Einen guten Morgen und einen schönen zweiten Weihnachtstag wünsche ich Ihnen!
Was war das usselig letztes Jahr an Weihnachten, als wir alle Gas sparen mussten. Dunkel war´s überall. Weniger Weihnachtsbeleuchtung. Und ich weiß noch, wie wir gefroren haben bei unserer Weihnachtsandacht in der ungeheizten Kirche. Die Stühle eng zusammengerückt, um sich gegenseitig warmzuhalten, alle mit zwei Pullis übereinander und dicken Wintermänteln und gefütterten Stiefeln. Und trotzdem war es eisig kalt. Hautnah konnten wir spüren, was wir in einem alten Weihnachtslied gesungen haben: „Es ist ein Ros` entsprungen aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art. Und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht.“ (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 30, Str. 1) Vermutlich ging es auch dem Mönch so, der dieses Lied 1587 verfasst haben soll. Ein Bruder Conradus aus Trier, ein Kartäusermönch. Die Kartäuser waren ein strenger Schweigeorden. Sie lebten in kleinen Häuschen aus zwei kleinen Räumen, Essen bekamen sie durch eine Klappe, die ganze Woche über sahen sie niemanden. Aber jede Mönchszelle hatte ein eigenes kleines Gärtchen, wo die Mönche Gemüse, Heilkräuter und auch Blumen anbauten. Ich stelle mir vor, Bruder Conradus sitzt in seiner Zelle und schweigt. Es ist kurz vor Weihnachten. Er sieht aus dem Fenster, es schneit. Er geht in sein Gärtlein, und als er sich zum Rosenbeet umdreht, leuchtet ihm dort eine rote Rose aus dem Schnee entgegen. Es ist kalt, er geht zurück in seine Zelle und erinnert sich an einen Bibelvers: „Aus dem Baumstumpf Jesajas wächst ein Spross hervor. Ein Trieb aus seiner Wurzel bringt neue Frucht.“ (Jesaja 11,1, Basisbibel) So wie aus dem Baumstumpf neues Leben kommt, so kann auch eine Rose mitten im Winter aufblühen. Was es mit dieser Ros´ auf sich hat, das ist in der ersten Strophe noch rätselhaft. In der zweiten wird es dann aufgelöst: „Das Blümlein, das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd; aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht.“ (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 30, Str. 2) Das Jesus-Kind ist gemeint mit der Rose. Bruder Conradus hat in seiner Zelle sicher im Winter bitterlich gefroren. So wusste er genau, wovon er schreibt, als er sein Lied dichtet: Sein Lied von der Geburt des Gotteskindes mitten im kalten Winter. Wohl zu der halben Nacht. Aber die Kälte steht natürlich auch im übertragenen Sinn für die Kälte zwischen Menschen. Die halbe Nacht kommt daher, dass die Geburt des Jesus-Kindes auf den Tag der Wintersonnenwende datiert wurde. D.h. ab dem Tag der Geburt Jesu begannen die Tage wieder länger und damit heller zu werden.
Ich meine wir sind im letzten Jahr, weil Weihnachten für unsere Verhältnisse etwas weniger bequem war, dem Sinn von Weihnachten besonders nahegekommen. Denn Gott ist nicht im mollig geheizten Weihnachtszimmer mit prasselndem Kaminfeuer, Geschenkebergen und blinkenden Baumkerzen zur Welt gekommen, beim Festessen im Kreis der Familie. Sondern da, wo es dunkel ist, wo das Leben verkümmert, und menschliche Wärme fehlt, da kommt Gott hin, da kommt er zur Welt.
Da wird er Mensch und zeigt: Ich weiß, was Ihr braucht. Gerade wo Menschen allein sind und sich einsam fühlen, möchte er ihnen besonders nahe sein.
So begleite dich Gottes Wärme auf deinem
Weg, sein Licht erhelle deine Finsternis,
seine Kraft lasse dich alle Hindernisse
überwinden.
Das wünscht Ihnen Barbara Schwahn aus Krefeld.
Quellen:
https://www.herder.de/pb/hefte/archiv/2017/12-2017/liedpredigt-zu-eg-30-es-ist-ein-ros-entsprungen/ Predigt von Hans-Ulrich Hofmann.
www.emk-schwenningen.de/Predigt_25.12.18_HUH.pdf (letzter Abruf 10.12.2023)
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze