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Kirche in WDR 3 | 12.01.2024 | 07:50 Uhr
Komm rüber!
Guten Morgen.
„Komm doch mal rüber!“ Ruft die Nachbarin mir zu. „Komm rüber!“ So heißt auch die diesjährige Fastenaktion der evangelischen Kirchen, die ab Aschermittwoch bis Ostern sieben Wochen lang dauern wird. „Komm rüber“, ruft ein Mann aus Mazedonien einstmals dem Apostel Paulus zu. „Komm rüber nach Mazedonien und hilf uns!“ (Apostelgeschichte 16,9, Lutherbibel 2017) Paulus spürt, hier schickt Gott mich hin, hier soll ich das Wort Gottes, die gute Nachricht von seiner Liebe und von Jesus Christus erzählen. Und er bricht auf.
„Komm rüber“ – steht in dem Brief von der Tante! Ihr Paket kommt immer in der Adventszeit. Ich bin Kind und schon ganz aufgeregt. Da ist der Stollen drin, den unsere Verwandten gebacken haben. Sie leben im Erzgebirge in der damaligen DDR. Die Zutaten – samt Schokolade, Kaffee und Seidenstrümpfen - hat Omi immer schon im November „nach drüben“ geschickt: „Die haben da nicht alles zum Backen.“, sagt sie. Und zurück kommt dann pünktlich zum Advent der Stollen. ich kenne niemanden „von drüben“. „Drüben“ – das ist eine fremde Welt, die nach Stollen schmeckt. Aber auch nach Kontrollen an der Grenze. Die Sorge vielleicht beobachtet zu werden. Trotz gleicher Sprache ist die Welt „drüben“ viel fremder als die Welt jenseits anderer Grenzen – der italienischen zum Beispiel. In Italien sind wir oft im Urlaub. Später im Leben verstehe ich erst: Dieses „Komm rüber“ – besuch mich, lern mich kennen, lass uns reden und feiern, teilen und tun und einander unsere Schätze zeigen - dass DAS der wahre Schatz im Leben ist. Unbezahlbar.
In der Kirche entdecke ich den Schatz der Partnergemeinden: in Tansania, in Bolivien, in West-Papua, in England, in Russland oder in Ost-Berlin. Die Gemeinde besucht die Partner*innen und sie kommen zu uns. Ich lerne: Als Christin bist du eingebunden in die weltweite Gemeinschaft aller Glaubenden. Wir gehören zusammen.
Die Partner rufen uns zu: „Komm rüber – wir laden Dich ein. Öffne Dein Herz für das, was Du bei uns findest. Und Du wirst reich beschenkt.“ Mit neuen Gerüchen und Tönen. Mit einer Wanderung durch unbekannte Landschaften, zu stillen Seen oder mit einem Gottesdienst mit hinreißender Musik. Und mit guten Gesprächen, Lachen, Essen und Trinken. „Komm mal rüber“ – mich treibt da nicht der „Missionseifer“ eines Apostels oder einer Apostelin. Sondern in meinen Ohren klingt, wie mich jemand einlädt: sehnsüchtig, erwartungsfroh, freundschaftlich-liebevoll – manchmal auch ungeduldig und drängend: „Hier schau, so schlimm ist es bei uns. Mach dir ein Bild.“ Ja, auch das. Mach dir ein Bild – von dem, was eine christliche Gemeinde quält und bedrückt. Und wenn es dir besser geht als dieser Gemeinde, frag sie, was sie dort von dir brauchen. Und gib es ihnen, wenn es dir möglich ist. Hilf ihnen. Du wirst sehen, das macht dich reicher als du denkst.
Wenn ich über den Tellerrand geschaut habe, bin ich immer mit vielen Schätzen im Herzen und im Koffer zurückgekehrt. Mein eigenes Leben und Land sehe ich neu. Ich sehe was hier fehlt oder was wir anderen antun. „Komm rüber“ - ich brauche diesen Schubs, mich auf den Weg zu machen. Ich brauche meine Glaubensgeschwister, die mich rufen und mitnehmen.
Von wem lassen
Sie sich zu einem Blick über den Tellerrand locken?
Hat sich Ihr Blick auf Ihren Alltag, Ihr Zuhause nach einer Reise verändert?
Es grüßt Sie, Rundfunkpfarrerin Petra Schulze aus Düsseldorf.
https://7wochenohne.evangelisch.de/