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Kirche in WDR 3 | 29.03.2024 | 07:50 Uhr

Entlassung

Was soll ich Ihnen sagen, heute am Karfreitag, dem Tag an dem Christinnen und Christen des Todes Jesu gedenken?

Eigentlich stehe ich immer sprachlos vor dem Tod. Und als Priester habe ich öfter mit dem Tod zu tun, von Berufs wegen. Doch der Tod selbst raubt mir meistens die Worte. Und alle Versuche, irgendwie etwas zu formulieren, enden oft im Stammeln und Stottern oder es klingt nach hohlen Phrasen und leeren Standardformulierungen.

Wenn ich zu einem sterbenden Menschen gerufen werde, dann kann ich wohl mit diesem und den Angehörigen beten. Meistens bin ich aber froh um jeden Ritus, der mit hilft, mich festzuhalten und zunächst nur etwas anzubieten, was in der Tradition oft schon Anderen in der ähnlichen Situation geholfen hat. Doch sicher ist das nicht. Leider habe ich auch erlebt, dass ein Ritus nicht automatisch funktionieren muss.

Und meine Erfahrung hat mir gezeigt: Schweigen ist manchmal mehr wert als viele Worte und Rituale. Schweigen, nichts sagen und nur einfach da sein. Das ist vielleicht das, was geht, wenn es zum Sterben kommt. Den Schwebezustand zwischen Leben und Tod mit aushalten. Und wenn er dann kommt, auch den Tod still mit aushalten.

Ganz ehrlich. Für mich ist das heute am Karfreitag nicht anders. Auch der Tod Jesu lässt mich nicht leicht reden. Lieber würde ich schweigen. Auch hier und jetzt im Radio. Aber das ist nur schwer möglich zu realisieren. Denn das wäre wie ein abgeschaltetes Radio und nur eine Frage der Zeit, bis ein Ersatzprogramm angeht. Also: Stille funktioniert hier nicht. Und doch geht es im Tod ja genau um das: Nichts funktioniert mehr. Stille. Kein Wort.

Als vor mehreren Jahren mein Vater auf der Intensivstation nach einem Monat Koma verstarb, war es schon lange still. Er war schon lange still. Und der Tod selbst, er war noch stiller. Ein paar Atemzüge noch und dann ein letztes Ausatmen. Dann war es aus. Das Leben war vorbei. Noch mehr Stille als ohnehin schon war. Der Schwebezustand in dem wir als Familie still auf den Tod gewartet hatten war übergegangen in die Stille des Todes selbst.

Allerdings gab es da ein technisches Phänomen, dass eigentlich nicht vorgesehen war. Es gab unerwartet doch ein Wort. Nicht vom Verstorbenen, aber vom Überwachungsmonitor. Mit diesem Gerät hatten meine Familie und ich sozusagen schon einen Monat lang kommuniziert, abgelesen, wie es meinem Vater im Koma wohl gerade gehen könnte. Wir hatten versucht, Reaktionen anhand der Kurvenausschläge zu lesen. Dieser Überwachungsmonitor sprang plötzlich um und zeige nur ein einziges Wort an: Entlassung.

Klingt vielleicht verrückt, aber dieses Wort half mir in meiner Trauer. In allem Schmerz gab es Entlassung. Wohin? Keine Antwort. Stille. Schweigen. Aber dieses eine Wort in der Stille des Todes half mir, das Unaushaltbare auszuhalten. Auch wenn ich schwieg und weinte.

Heute am Karfreitag wünsche ich mir und Ihnen auch wieder so ein Wort aus der Stille. Ich weiß: Es ist unverfügbar, nichts was ich erwarten oder machen kann. Es ist nur die Hoffnung, dass es im Augenblick des Todes noch etwas Neues geben könnte, dass ich aber noch nicht kenne.

Ansonsten bleibt: Schweigen.

Stefan Wiesel aus Essen



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