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Kirche in WDR 3 | 29.04.2024 | 07:50 Uhr
Wie eine Mutter
Guten Morgen!
Sie hat sich so manche Nacht wegen mir um die Ohren geschlagen.
Sie hat mir zugehört, mich getröstet,
sich Zeit für mich genommen, auch wenn eigentlich keine Zeit war.
Als Kind, wollte ich sie am liebsten ganz für mich allein haben.
Als Jugendliche durfte ich mich auch von ihr lösen. Durfte lernen, wie es ist, wenn man nicht auf sie hört, und sie hat mich trotzdem geliebt. Hat mir meinen Freiraum gelassen. Meine Geheimnisse. Sie hat mir vertraut und ich ihr.
Mit niemandem habe ich so oft grundlos gestritten, wie mit ihr.
Und sie hat mich trotzdem geliebt.
Ist die Not
mal groß, ist sie mein sicherer Hafen, mein Zuhause. Das hat sich nie geändert.
Ist etwas Wunderbares passiert, habe ich das dringende Bedürfnis, es ihr zu
erzählen.
Auch heute noch!
Ich bin erwachsen, aber ihr Kind bleibe ich mein Leben lang.
Ich bin dankbar, dass ich sie hab.
Meine Mutter.
Einfach weil sie so ist, wie sie ist, glaube ich zu verstehen, was gemeint ist, wenn es in der Bibel heißt: Gott ist wie eine tröstende Mutter. (Jesaja 66,13)
Für mich persönlich aus den vielen, vielen Bildern für Gott mit das stärkste!
Wenn er wirklich so ist, wie meine Mutter, dann hat Gott:
einen Blick auf mich, selbst dann, wenn sich nicht alles Schlimme und Schwierige verhindern lässt.
Ein Gott, der wie meine Mutter wäre, der würde mir zuhören und mich trösten.
Gott würde da sein, wenn ich ihn brauche, auch wenn eigentlich keine Zeit dafür ist.
Gott würde mich meine Fehler machen lassen - und mich trotzdem lieben.
Er würde mit mir streiten und aushalten, dass ich anderer Meinung bin.
Gott würde mir die Freiheit geben, mich von ihm zu entfernen und zu ihm zurückzukommen.
Gott würde mir Vertrauen schenken und da sein, wenn ich ihn brauche.
In der Not als sicherer Hafen und auch dann, wenn was Wunderbares passiert ist.
Ich hätte das Bedürfnis, es ihm zu erzählen.
Auch heute noch. Ich bin erwachsen, mein Glaube ist auch gewachsen, sein Kind bleibe ich ein Leben lang.
Ich bin dankbar, dass er da ist.
Gott, die wie eine Mutter ist.
Aber Gott ist nicht allein Mutter. Gott ist viel, viel mehr.
Es gibt Menschen, die erleben Vater oder Mutter ganz anders oder gar nicht.
Sie erleben Lieblosigkeit, mangelnde Fürsorge, fehlende Wertschätzung.
Denen fällt es schwer, sich Gott wie einen liebenden Vater oder wie eine tröstende Mutter vorzustellen.
Vielleicht ist ihnen ein anderer Mensch zur Mutter oder zum Vater geworden.
Vielleicht ist da aber auch eine klaffende Lücke, die bleibt.
Gut, dass es noch so viele andere Bilder von Gott in den Heiligen Schriften gibt.
Weil Gott mehr ist, als ein Bild fassen kann.
Und ein Bild zu klein ist, um Gott ganz zu beschreiben.
Darum heißt es in der Bibel: „Gott ist größer als unser Herz!“ Eins der Zehn Gebote lautet sogar: Du sollst dir kein Bild machen von Gott!
Das soll uns davor schützen, Gott einfach auf das eine Wort oder das eine Bild festzulegen.
Gott ist nicht nur Mutter und Vater, sondern auch Freundin, Fels, Burg, Löwe, Sonne, Liebe und vieles mehr.
So unterschiedlich wie die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Bilder, die sich Menschen von Gott gemacht haben.
Ich weiß
nicht, wie Sie, die Sie mir zuhören, sich Gott vorstellen:
Ich bin interessiert davon zu hören!
Ihre Pfarrerin Anne Wellmann aus Tönisvorst.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze