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Kirche in WDR 3 | 16.05.2024 | 07:50 Uhr
Ehrenamtlich ins Hospiz
Autorin: Guten Morgen!
O-Ton Lore Dallmeyer: Während meiner Tätigkeit als Krankenschwester war immer klar, dass es gewisse Patientengruppen gibt, die man benachteiligt oder wo man nicht ausgiebig genug sich kümmern kann. Da gehören an erster Stelle demenziell erkrankte Menschen dazu. Aber auch Sterbende. Denn einen Sterbenden zu betreuen, bei dem man so alle 10 bis 15 Minuten mal die Türe aufreißt und guckt, ob er noch lebt, das ist ja keine Zuwendung. Das war mit ein Grund, warum ich immer dachte, ich möchte doch ein bisschen näher noch an die Hospizarbeit herankommen.
Autorin: Sagt Lore Dallmeyer. Sie ist pensionierte Krankenschwester und macht grade einen Hospizkurs. Sie will lernen, Sterbende zu begleiten. Und wechselt damit sozusagen die Seite. Bisher ging’s bei ihr um’s Leben retten. Jetzt geht’s ums Sterben dürfen. In Ruhe. Und das …
O-Ton Lore Dallmeyer: … das ist unvorstellbar schwer: zuzugucken, wie das Leben aus einem herausfließt und nichts mehr zu machen. Also da ist das Helfersyndrom, wo man dies und das und Action und so hat, viel leichter zu ertragen.
Autorin: Über den Kurs Hospizbegleitung sagt sie:
O-Ton Lore Dallmeyer: Was ich da erfahren hab, hat mich mit Freude und Zufriedenheit erfüllt und vielleicht mir auch die Angst vorm Tod genommen.
Autorin: Neues lernen und für Menschen da sein. Das ist Lore Dallmeyers Ding. Und:
O-Ton Lore Dallmeyer: Irgendwann hab‘ ich mal gedacht, ich möchte denen Zeit schenken. Und das heißt ja ganz oft, dass man gar nichts anderes tut als dasitzen und da sein …
Autorin: Aber trotz allem Traurigen und Schweren …
O-Ton Lore Dallmeyer: … im Hospiz wird unheimlich viel gelacht, das kann man gar nicht glauben. Ja, immer gibt es irgendeinen Grund, dass jemand was zu lachen hat.
Autorin: Das stelle ich mir schön vor. Miteinander lachen, ein paar gute letzte Momente haben. So wie es Pfarrer Dietrich Bonhoeffer in seinem Gedicht „Von guten Mächten“ bittet: „Und willst Du uns noch einmal Freude schenken…“ Der Glaube ist Lore Dallmeyer wichtig. In ihrem Beruf als Krankenschwester war es so, …
O-Ton Lore Dallmeyer: … dass man eben hinging und jemand ein Blümchen in die Hand legte oder eine Kerze angezündet hat oder ein Vaterunser gebetet hat, das war bei uns immer drin, das halte ich auch wirklich für ganz wichtig.
Autorin: Wobei:
O-Ton Lore Dallmeyer: Ganz böse Menschen sagen mir immer: Glauben ist `ne Krücke. Ja, an der man sich aufrichtet. Und ich muss sagen, es hat mich immer aufgerichtet.
Autorin: Denn:
O-Ton Lore
Dallmeyer: Dieser Beruf
einer Krankenschwester, und ich war ja jahrzehntelang auf einer
Reanimationsstation, wo man nichts anderes getan hat, wie wirklich tote Leute auf
den Tisch zu bekommen, die eben noch reanimierfähig waren. Wenn man da nicht
irgendwas hat … ich glaube, das kriegt man sonst nicht hin.
Autorin: Lore Dallmeyer merke ich im Gespräch an, sie hat in der Hospizarbeit eine Aufgabe gefunden, die sie erfüllt und ein Stück weit auch mit ihrer eigenen Vergangenheit versöhnt. Sie sagt: Für sie ist Vergebung wichtig, um gut Abschied nehmen zu können.
O-Ton Lore Dallmeyer: Was macht man mit den Toten, die man so erlebt? Beruflich in meinem Fall. Privat ist mir da ja auch alles widerfahren, was einem nur an Schrecklichem widerfahren kann. Und das bleibt drin.
Autorin: Ich finde es ermutigend zu hören, dass es Menschen, wie Lore Dallmeyer gibt, die sich zu mir ans Bett setzen würden, wenn’s mal so weit ist. Noch ermutigender finde ich es zu wissen: Sie bringt ihre ganze Lebenserfahrung mit. Sie könnte verbittert sein und ist es nicht. Sondern sie lacht und hilft und schafft einfach schöne Momente, wenn andere denken: Es ist vorbei.
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5:)
Dass Sie es sich schön machen, das wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel aus Odenthal.
Redaktion: Pfarrerin Inga Waschke und Landespfarrerin Petra Schulze