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Kirche in WDR 4 | 15.09.2014 | 08:55 Uhr
Baustellen
Guten Morgen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen heute Morgen geht. Vielleicht sind Sie wieder mal mit einem dicken Hals aufgewacht. Extra früh aufstehen, weil der Weg zur Arbeit doppelt so lange dauert wie normal. Dauerbaustelle auf der Autobahn, bis Frühjahr 2015. Wir danken für Ihr Verständnis.
Na klasse. Ganz schön nervig und zeitraubend, dass überall Straßen ausgebessert und verbreitert werden. Wo man hinguckt Baustellen auch bei uns in Düsseldorf, in der Stadt. Hier wandern sie. Jeden Tag ist die Verkehrsführung anders. Mal schlängelt man sich oberirdisch an Baustellenzäunen vorbei, mal öffnet sich ein neuer Tunnel vor einem. Mal ist rechts gesperrt, mal links.
Kö-bogen und U-Bahn-Bau. Wer sich da nicht auskennt, der ist hoffnungslos verloren. Auch ein Navi ist total verwirrt und orientierungslos angesichts dieser Lage. Meins zumindest. Zeitweise habe ich es vorgezogen, das Auto stehen zu lassen. Und ich bin nicht die einzige. Nur: Auch als Fußgängerin muss man ganz schön flexibel sein. Ziemlich anstrengend zurzeit, sich in Düsseldorf fortzubewegen. Und das schon länger.
Der Weihnachtsmarkt letztes Jahr - im Baustellenlabyrinth, Shoppen zwischen Baukranen und der Fußweg zum Büro entlang an gelb-roten Straßenabsperrungen. Jetzt wird’s besser, konnte man eine Zeit lang meinen. Doch was las ich dann: als nächstes sind die maroden Bahnbrücken hinterm Bahnhof dran. Also, zu früh gefreut.
Nun kann ich mich entweder darüber ärgern, dass es Düsseldorf als baustellenfreie Zone auch in den nächsten Jahren nicht geben wird. Oder ich arbeite an meiner Einstellung dazu. Ich habe mich für letzteres entschieden. Und das geht. Ich sage mir jetzt: Gäbe es all die Baustellen nicht, dann würde sich nichts verändern. Dann würden die Straßen noch maroder, die Brücken wären nicht mehr befahrbar. In der Stadt bliebe alles beim Alten oder würde immer gestriger und es gäbe nicht die Chance, dass etwas Neues entsteht. Die Baustellen sind die Kehrseite dessen, dass eine Stadt, eine Region immer im Wandel ist. Was ja eigentlich spannend ist. Deshalb macht es gar keinen Sinn darauf hin zu leben, dass die Bauerei irgendwann vorbei ist.
Und bei all dem Rumgekurve lernt man außerdem seine Umgebung besser kennen und wird flexibler.
Wenn ich meine Einstellung zu den Baustellen verändere, verändere ich auch was für mein Leben jenseits davon. Denn: Wer meint, sein Leben immer nur in geordneten Bahnen, ohne Hindernisse, vielleicht sogar immer auf derselben Route verbringen zu können, der ist auf dem Holzweg. In jedem Leben gibt es immer wieder Baustellen. Sie stellen einen vor kleine oder große Herausforderungen. Mal muss ich ausweichen, mal einen Umweg fahren oder auch im Stau stehen, mal stehen bleiben und mich neu orientieren oder sogar umkehren. So reift man und entwickelt sich weiter. Wer meint, erst richtig anzufangen zu leben, wenn es keine Baustellen mehr gibt, der verpasst das eigentlich Interessante, das, was das Leben ausmacht. Wenn mir das mal zu turbulent und zu unübersichtlich wird, schalte ich meinen Lebenskompass ein. Ich bitte Gott: Und führe mich auf rechter Straße!
Also rein in den Tag auch heute Morgen wieder, ganz gleich, welche Baustelle sich vor Ihnen auftut, es lohnt sich, verspricht Barbara Schwahn, Pfarrerin aus Düsseldorf.