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Kirche in WDR 4 | 22.12.2014 | 08:55 Uhr
Grüße alle mit Namen
„Ich soll euch alle grüßen!“ - „Danke“ schallt es zurück. Eher gelangweilt als erfreut.
Ist doch eigentlich was Schönes: Grüße senden und überbringen. Und doch kommt der Gruß nicht so richtig an. Wieso eigentlich? Ich soll euch alle grüßen!
Fühlen Sie sich da angesprochen, liebe Hörerin, lieber Hörer? Angenommen, ich könnte Gott im Himmel einen kleinen Besuch abstatten. Und er sagte zu mir: Grüß´ doch bitte mal alle auf der Erde. Und ich sagte dann im Radio: Schöne Grüße an alle vom lieben Gott. Fühlen Sie sich da angesprochen? In der Tiefe der Seele berührt? Herzlich willkommen? Persönlich gestärkt? - Vermutlich eher nicht.
In diesem Jahr türmten sich bei mir im Büro schon ganz früh die Weihnachts- und Neujahrsgrüße. Ich habe jeden einzelnen Gruß auf die lange Holzfensterbank über meinem Schreibtisch gestellt. Eine bunte Wunderweihnachtskartenwelt mit Krippen, Königen, Sternen, Schneemännern und Eiskristallen, Gedichten, Sprüchen und gedruckten Grüßen - manche besinnlich, andere witzig, viele originell. Und doch Massenpost.
Ich frage mich: Freut sich da eigentlich wirklich wer drüber? Wie ist es mit mir und diesen Karten? Ich ertappe mich immer bei folgendem: Ich gucke mir die Karte an und bin oft fasziniert von der Kreativität, den liebevollen Gedanken, die da jemand reingesteckt hat. Manche Karten würde ich am liebsten gleich einrahmen, manches Gedicht wandert in meine private Weihnachtspost.
Bei aller Vielfalt - die meisten Karten sind doch gewissermaßen konfektioniert. Jedenfalls nicht so richtig persönlich. Bis auf die Unterschrift manchmal mit Füller und Tinte. Unverwechselbar. Echt. Ein kleines Lebenszeichen. Wenigstens das.
Ich ertappe mich allerdings immer dabei, dass ich noch nach etwas anderem suche. Nach Zeichen der persönlichen Verbundenheit. Nach einem Hinweis, der vielleicht sagen könnte: Wir haben eine Geschäftsbeziehung, aber auch die ist nicht belanglos oder verwechselbar. Wir haben was geteilt in diesem Jahr. Die Routine, die Treue und Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit und vielleicht noch was darüber hinaus.
Und dann entdecke ich es, das Zeichen: Da steht handschriftlich mit Füller mein Name drin. Und vielleicht sogar noch ein kurzer persönlicher Satz. Jetzt ist es meine Karte, mein Brief.
Ich kenne Ihren Namen nicht, liebe Hörerin, lieber Hörer, deshalb verzeihen Sie, dass ich Sie herzlich grüße, ohne Ihren Namen zu nennen. Auch wenn das erstens nicht höflich ist und zweitens auch für eine Apostelin Christi kein angemessenes Verhalten. Was angemessen ist, sagt mir ein Brief in der Bibel. Da schreibt einer an einen anderen: „Friede sei mit dir! Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde, jeden mit Namen.“ (3. Johannes 15)
Grüße die Freunde - jeden mit Namen. Stellen Sie sich vor. Sie sitzen zusammen mit der Familie oder Freunden und dann kommt ein Anruf. Tante Renate. Und sie sagt am Ende: „Grüße bitte alle – jeden einzelnen mit Namen!“ Sie beenden das Telefonat und sagen: „Ich soll euch grüßen - Dich Johanna und Dich Peter, Dich Finn, Dich Lina und Dich Paul.“
Natürlich kann man auch den Lautsprecher vom Telefon einschalten und alle hören mit wie Tante Renate sagt: „Grüß Dich, Johanna! Grüß dich, Peter“ und so fort. Wenn jemand meinen Namen sagt oder schreibt, dann ist die Botschaft für mich persönlich gedacht.
„Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit Dir!“ sagt der Engel zu Maria, als er sie besucht, um ihr die Geburt Jesu anzukündigen, den Sohn Gottes. Ein ernster, tiefer Moment braucht eine würdige Eröffnung. Stellen Sie sich mal vor, der Engel wäre reingestolpert und hätte gesagt: „Tach, dann wollnwema…“ Nicht mit mir, hätte Maria dann vielleicht gesagt. Aber: „Du, Maria. Mit Dir hat Gott etwas vor. Etwas Großes.“ Du, Peter, Du Johanna – mit dir hat Gott etwas vor. Etwas Großes. So spricht Gott zu dir und zu mir.
Einen guten Start in die Weihnachtswoche wünscht Ihnen, Petra Schulze, Rundfunkpfarrerin in Düsseldorf.