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Kirche in WDR 4 | 24.11.2015 | 08:55 Uhr
Weihnachtspäckchen in geheimer Mission
Autorin: Guten Morgen! In einem Monat ist Weihnachten und jemand wird ein Päckchen bekommen. Jemand, den meine Konfirmandinnen und Konfirmanden und ich nicht kennen. Jemand, der oder die uns nicht kennt. Aber diese Person kennt auch sonst niemanden, der ihr ein Weihnachtspäckchen schicken würde. Deshalb machen wir das.
Sprecher: Aus dem Merkblatt für den Paketverkehr in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein Westfalen aus dem Jahr 2014.
1.1.7
Gefangene dürfen von karitativen Stellen ein Paket empfangen, wenn sie sonst ein Paket nicht erhalten.
Autorin: Deshalb habe ich uns beim „Schwarzen Kreuz, Christliche Straffälligenhilfe e.V.“ für die Weihnachtspaketaktion angemeldet. In ihrem Namen schicken wir ein liebevoll gepacktes Weihnachtspäckchen.
Aber: Hinter Gittern herrschen andere Gesetze. Da können wir nicht einfach so drauf los packen:
Sprecher: 1.1.6
Zum Empfang werden nur solche Pakete zugelassen, die mit einer Paketmarke versehen sind. Die Anstalt kann die Annahme von Paketen, die zur Unzeit, ohne Paketmarke oder mit Übergewicht eingehen, bereits auf dem Postamt verweigern. Sie teilt dem Gefangenen die Annahmeverweigerung und den Grund dafür mit.
Autorin: Zur Unzeit eingehen, das heißt zu früh oder zu spät. Nur vierzehn Tage vor Weihnachten und vierzehn Tage danach werden Weihnachtspäckchen angenommen. Die Paketmarke müssen die Gefangenen vorher rechtzeitig selbst anfordern und lassen sie der Straffälligenhilfe zukommen. Die leitet sie dann an mich weiter. Übergewicht ist zu Weihnachten: alles über fünf Kilo.
Sprecher: (1.1.7)
Die Pakete werden in Gegenwart des Empfängers geöffnet. Der Paketinhalt wird auf verbotene Gegenstände und Vollzähligkeit nach dem Inhaltsverzeichnis geprüft.
Autorin: Geprüft wird der Inhalt auch schon bei uns. Im Gemeindehaus während des Konfirmandenunterrichts. Wer ein Päckchen ins Gefängnis schickt, muss vieles bedenken und das geht zusammen einfach besser. Nüsse in Schalen dürfen nicht rein, Nüsse in Schokolade schon. Nüsse in verlöteten Dosen und Gläsern dürfen nicht rein. Tee oder Kaffee in vom Hersteller verschlossenen Dosen und Gläsern doch. Alles in beschränkter Menge. So auch Tabakwaren. Natürlich darf kein Alkohol mitgeschickt werden, frische Lebensmittel und Selbstgemachtes auch nicht. Stattdessen denken sich meine Konfis ein paar Worte aus und schreiben sie auf eine Karte - wenigstens etwas Persönliches.
Und natürlich haben sie das Inhaltsverzeichnis akribisch ausgefüllt. Während sie schreiben und rechnen, ob wir schon über fünf Kilo sind, kommen ihnen einige Fragen: Wie heißt der Mensch? – Ich will es Ihnen nicht sagen, um die Person zu schützen. Was hat er denn Schlimmes gemacht?- Ich weiß es nicht. Ist er überhaupt Christ? - Auch das weiß ich nicht. Aber ich merke: Alle geben sich richtig Mühe, dass dieser Mensch, wer auch immer er ist, was auch immer er oder sie getan hat, ein liebevolles Weihnachtspäckchen bekommt. Weil Weihnachten einfach jeder etwas geschenkt bekommen sollte, auch wenn es anonym passieren muss.
Sprecher: Jesus sagt: Wenn du also etwas spendest, dann tu es so unauffällig, dass deine linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Dein Vater im Himmel, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen. (Matthäus 6,3-4)
Autorin: So steht es im 6. Kapitel des Matthäusevangeliums und ich ahne, worum es Jesus geht: Die Fragen meiner Konfirmanden und ihr gewissenhaftes Packen sind Lohn genug. Und die Vorstellung, wie jemand lächelt, während er in die Plätzchen beißt, von denen nur wir wissen, dass sie von uns sind, ist einfach nur schön.
In geheimer Mission Päckchen packen, macht schon jetzt Lust auf Weihnachten, meint Katrin Berger, Pfarrerin in Levern.