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Kirche in WDR 4 | 02.12.2015 | 08:55 Uhr
Lichterkranz
Guten Morgen,
was steht bei Ihnen in der Wohnung: Ein Adventskranz oder ein Adventsgesteck? Viele mögen es ja heute sehr karg, spartanisch.
Aber ehrlich gesagt: für mich kommt immer nur ein Adventskranz in Frage.
Der Kranz: für mich ein ermutigendes Zeichen – ein altes Zeichen für Sieg. Bei sportlichen Ereignissen haben früher die Sieger einen Kranz erhalten. Bei Pferderennen. Bei Autorennen.
Kränze gibt es auch zur Beerdigung. Der da begraben wird: Er hat den Sieg errungen. Er ist jetzt am Ziel - bei Gott.
Der Adventskranz: Wenn ich ihn anschaue, dann mache ich mir manchmal deutlich, dass mein Leben gelingen wird und dass ich in Gott mein Ziel finden werde. Darauf vertraue ich. Das ist meine Hoffnung.
Ein Adventsgrün ohne Tannengrün – da würd mir was fehlen.
Die Tanne – der einzige Baum, der im Winter sein Grün nicht verliert. Wohltuend, wenn ich mir das durch Kopf und Herz gehen lasse, dass Gott Leben will für mich.
Natürlich: vier Kerzen stehen auf meinem Adventskranz. Zeichen für die vier Adventssonntage. Je mehr wir auf Weihnachten zugehen, desto heller leuchtet er.
Die Zahl 4 ist die alte Symbolzahl für Ganzheit in der Welt: vier Elemente, aber auch vier Himmelsrichtungen. Vier Kerzen im Advent: Gott nimmt Wohnung in unserer Welt – in Nord, Süd, Ost und West. Für alle ist er gekommen.
Mein Adventskranz - er kommt voll zur Wirkung: natürlich - wenn die Kerzen brennen. Ganz anders als die LED-Lichterketten auf den Advents- und Weihnachtsmärkten.
Kerzen spenden warmes Licht - mildes Licht. Sie leuchten nicht den ganzen Raum aus, sie erinnern mich an das Geheimnisvolle meines Lebens und meines Glaubens.
Wenn ich die brennenden Kerzen auf meinem Adventskranz sehe, dann muss ich auch immer mal wieder an die Worte aus dem Alten Testament denken: „Das Volk, das im Finstern lebt, sieht ein helles Licht.“
Hoffnungsstarke Worte sind das – wunderschön, denn sie sprechen von einer großen Verheißung für alle, deren Leben auch Dunkelheiten kennt. (Jes 9.1)
Seit Jahren begleitet mich ein Gedicht von Rosa Ausländer: Gerade in der Adventszeit lese ich es gern und lasse es in mir nachklingen. Es lautet so:
„Du legst dein Licht in allen Farben
um meine weiße Einsamkeit.
Ich fühle sie an meinen Narben
wie Balsam einer leichten Zeit.“
Sehr tröstlich für mich: Gottes Licht, Gottes Freundlichkeit und Zuwendung an den Narben meines Lebens.
Gott ist gerade dort, wo es wehtut.
Jesus hat gesagt: „Ich bin das Licht der Welt“. Ich komme in die Dunkelheit deiner Sorgen und Schmerzen. Darauf hoffe ich mit jeder Kerze, die am Adventskranz weiter aufbrennt.
Ich wünsch Ihnen heute einen erhellenden und trostvollen Adventstag.
Ihr Klemens Schneider
Pfarrer in Senden