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Kirche in WDR 4 | 24.12.2015 | 08:55 Uhr
Heiligabend in der Kirche
Guten Morgen!
Ich freue mich schon jetzt auf die volle Kirche heute Abend um sechs. Ich sehe sie vor mir: die Bänke, in denen die Menschen zusammen rücken, höre und spüre die Aufregung, die Anspannung, die Vorfreude.
Da sind die jungen Leute, die früher zum Jugendteam der Kirchengemeinde gehörten. Aus ihrer Heimatstadt sind sie weggezogen, sie studieren oder machen eine Ausbildung. Aber Weihnachten sind sie wieder zu Hause.
Da sitzen Väter und Mütter. Abgehetzt die einen, gut vorbereitet die anderen. Soviel Erwartungen sind an sie gerichtet: Weihnachten soll ein Fest werden. Die Kinder wollen ganz bestimmte Geschenke bekommen, alle freuen sich auf ein leckeres Essen und friedliche Stimmung unterm Baum. Morgen rechnen die einen und übermorgen die anderen Großeltern mit einem Besuch. Und wenn es dann Stress gibt? Wenn statt Freude Streit unter dem Weihnachtsbaum und am Essenstisch ausbricht?
Da sitzen auch Männer und Frauen, die eine Scheidung hinter sich haben. Sie haben abgemacht, zu wem die Kinder wann gehen. Schon jetzt vermissen sie sie. Oder sind ganz froh, dass es keinen Streit geben wird wie in den letzten Jahren. Sie möchten zu Hause Geborgenheit erleben, gerade zu Weihnachten. Geht das überhaupt allein? fragen sie sich vielleicht. Oder: Darf ich die Zeit alleine genießen?
Ich sehe vor mir die, die traurig sind, weil seit dem letzten Weihnachtsfest geliebte Menschen gestorben sind. Zum ersten Mal Weihnachten ohne diese Menschen. Sie haben überlegt, ob sie überhaupt in die Kirche gehen sollen. Sie haben Angst vor der Traurigkeit, möchten nicht weinen vor den anderen. Und sind trotzdem da.
Neben ihnen sitzen Menschen, die schon an normalen Tagen nur schwer über die Runden kommen. Das Geld reichte kaum oder gar nicht für Geschenke. Vielleicht sind sie traurig, vielleicht enttäuscht von sich selbst und von Menschen und Institutionen, deren Hilfe ihren Wünschen nicht entspricht.
Es ist warm in der Kirche. Die Menschen spüren: Wir sind viele, die warten, die hoffen, die suchen. Die Augen gehen zum großen Weihnachtsbaum. Mit Kerzen, Strohsternen und Kugeln ist er geschmückt. Wie früher, denken die einen, wie bei uns zu Hause, andere, und wieder andere freuen sich einfach nur am Glanz. Kerzen stehen vor den Krippenfiguren aus Ton. Liebevoll haben Presbyter und die Küsterin sie aufgebaut. Alle stehen jedes Jahr an derselben Stelle. Das ist Weihnachten. Geborgenheit. In der Kirche wissen wir, was kommt.
Alte Lieder, die Weihnachtsgeschichte in vertrauten Worten und Sätzen und eine Ansprache, die Verbindungen findet zwischen der Nacht, in der der Heiland geboren wurde, und unserem Leben, das manchmal heillos durcheinander ist und in dem manchmal Heil aufblitzt.
Ich bin froh, dass wir am Ende des Gottesdienstes Fürbitten sprechen. Sie verbinden uns mit denen, die nicht in die Kirche kommen: weil sie krank sind, weil sie arbeiten müssen, weil sie im Stau stehen oder der Zug Verspätung hat oder weil sie nicht mehr auf Gott hoffen oder Weihnachten nicht zu ihrem Glauben gehört.
Ich glaube, allen gilt: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Euch Frohen und Traurigen, Einsamen und Behüteten, Kranken und Gesunden, Sicheren und Zweifelnden, Nahen und Fernen. Wer kann, stimme ein in das Lied der Engel: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. Heute Abend im Gottesdienst oder zu Hause unter dem Baum oder vor dem Adventskranz. Einen gesegneten Heiligen Abend wünscht Ihnen Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer aus Meschede.