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Kirche in WDR 4 | 11.01.2014 | 08:55 Uhr
Gott als Jogger? Oder: der rennende Vater
Neulich sollte ich über den Verlorenen Sohn predigen (Lukas 15,11-32). Kennen Sie bestimmt, diese Geschichte, die Jesus mal erzählt hat. Mit den zwei Söhnen, von denen der jüngere seinen Anteil vom Erbe nimmt und weg ist er. Macht Dauerparty bis das Geld alle ist. Muss dann Schweine hüten, landet also ziemlich weit unten. Kommt da zur Besinnung und geht zurück zu seinem Vater. Der nimmt ihn wieder auf, was den Sohn ziemlich überrascht.
Wenn ich über solche Geschichten predigen soll, dann schaue ich mir immer Bilder dazu an. Wie haben sich Künstler das vorgestellt? Im Internet findet man ja massenhaft davon. Meistens sieht man den Sohn umarmt von seinem Vater. Ist ja auch der Höhepunkt.
Plötzlich sehe ich da ein Bild, oder besser eine Skulptur und ich denke: Falscher Film, Thema verfehlt. Da ist ein Mann mit Bart, der rennt. Rennt mit wehenden Kleidern und weit geöffneten Armen. Und strahlt über beide Backen. Ich seh' noch mal hin. Tatsächlich, diese kleine Bronzestatue heißt "Die Liebe des Vaters". Sie ist von einem Amerikaner mit Namen Tom White1.
Mit Vater ist definitiv der Vater aus der Bibelgeschichte gemeint. Frag' ich mich: "Wo hat er denn das her? Dass der Vater da losrennt als müsse er einen 100-Meter Lauf gewinnen." Ich les' mal nach. Und tatsächlich, da steht es. Habe ich wohl schon hundert Mal überlesen: "Als der Sohn aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn." (Lukas 15,20, Luther 1984)
"Na?" denke ich, laufen und laufen können ja zwei ganz verschiedene Sachen sein. Schau ich mal im Wörterbuch nach, was da im griechischen Urtext der Bibel mit gemeint ist. Nächste Überraschung: Das Wort wird auch für Sportler im Stadion gebraucht, also den damaligen Hochleistungssportlern (1. Korinther 9,24).
Das heißt: Der Vater bewegt sich nicht würdevoll schreitend seinem Sohn entgegen. Er bleibt auch nicht auf halben Weg stehen. Nein, er rennt, was das Zeug hält, bis er seinen Sohn in die Arme schließen kann. Denk' ich: Gut gemacht, lieber Herr Tom White, diese kleine Skulptur gefällt mir, berührt mich. Könnte ich sie mir leisten, sie würde auf meinem Schreibtisch stehen.
So ist Gott! Sagt die Geschichte. Wie dieser rennende Vater. Der gibt alles. Was für ein Gott! Ich finde, Jesus hat uns hier ein ganz großartiges Bild von Gott gezeigt. Ein Gott der auf uns Menschen wartet. Der Ausschau hält. Der da mit einem Fernglas den Horizont absucht, ob sich da nicht irgendwo sein Sohn oder seine Tochter zeigt. Dieser Gott wünscht sich nichts sehnlicher, als seine verlorenen Menschen wieder in die Arme zu schließen. Und er rennt los, als er uns endlich in der Ferne erkennt.
Gott rennt uns entgegen. Und zwar nicht im leichten Jogger-Tempo, so nach dem Motto, das kann ich auch noch zehn Kilometer durchhalten. Sondern wie ein Kurzstreckenläufer sprintet Gott los und steckt alle Kraft ins Tempo. Um möglichst schnell seine Tochter, seinen Sohn in die Arme zu schließen.
Und wir? Na ja, der verlorene Sohn hat sich auf den Weg zurück zu seinem Vater gemacht. Machen wir uns auf den Weg zu Gott? Ich bin überzeugt davon, wer Gott sucht, der wird ihn finden. Oder besser: Den findet Gott. Wer versucht, sich auf Gott einzulassen, dem kommt Gott entgegen. Wer sich von Herzen wünscht, Gott kennen zu lernen, den wird Gott in seine liebenden Arme schließen. Machen wir uns auf den Weg, heute, morgen und immer.
So verbleibt mit dieser herzlichen Einladung, den aus Liebe rennenden Gott kennen zu lernen, Ihr Pastor Heddo Knieper aus Herne.
1http://www.tomwhitestudio.com/tabletop-faith-based-bronze-religious-statues-Biblical-father-prodigal-son-sculptures.html, Aufruf am 8.11.2013