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Kirche in WDR 4 | 11.02.2014 | 08:55 Uhr
Nah und gesendet
Die Stimmung in der katholischen Kirche ist nicht gut. Bei uns im Bistum Essen auch deshalb, weil seit 2005 fast 100 Kirchen schließen mussten – das Geld und auch die Gläubigen fehlen, um sie auf Dauer zu erhalten. „Die Kirche zieht sich zurück“, klagen viele.
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
ja, es stimmt: Die Kirche, wie wir sie in unserer Gesellschaft kennen, zieht sich zurück. Gemeinden werden zusammengelegt, Einrichtungen geschlossen, Gebäude aufgegeben. Auch das hauptberufliche Personal wird weniger. Prognosen sagen, dass im Bistum Essen bis zum Jahr 2030 die Zahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger um die Hälfte zurückgeht.
Und trotzdem haben wir im letzten Jahr in einem Zukunftsbild das Wort „nah“ zu einem der sieben Leitworte für die Zukunft unserer Kirche gemacht. Völlig paradox: Die Kirchen-Organisation schrumpft – und doch will sie nah bei den Menschen sein. Wie soll das gehen? Das Essener Zukunftsbild behauptet: Das geht! Wörtlich heißt es: „Wir sind da, wo sich das Leben abspielt. Nicht überall stehen Kirchen und arbeiten Hauptberufliche; aber überall wirken Getaufte!“
Der Satz hat es in sich: „Überall wirken Getaufte!“ Im Bistum Essen sind das weit über 850 000 katholisch Getaufte, in ganz Nordrhein-Westfalen über 7 Millionen. In allen christlichen Konfessionen dürften es doppelt so viele sein. Was für ein Potential!
Aber da muss man erst mal drauf kommen, dass diese Millionen von Menschen „die Kirche“ sind. Genauso hat sich das aber der Gründer der Kirche gedacht: Jesus Christus wollte keine passiven Mitglieder für seine Bewegung, sondern Menschen, die ihm aus Überzeugung nachfolgen. Menschen, die leben, was er gelehrt hat – mitten im Alltag, wo immer sie gerade leben.
Die meisten denken heute: „Die Kirche“ – das sind „die Hauptberuflichen“, „die Pfarrer“, „die Bischöfe“, „der Papst“, vielleicht noch die über-engagierten Ehrenamtlichen. Aber die breite Masse der Getauften sind Kirchen-“Besucher“, die ab und zu mal mitmachen und vor allem Kirchensteuern zahlen.
„Du bewegst Kirche“, lautet der Slogan, mit dem wir im Bistum Essen für unser Zukunftsbild werben, einer Vision für eine veränderte Kirche. „Du“ – damit ist jede und jeder Getaufte gemeint. Die Taufe ist eine Erlaubnis und ein Auftrag, etwas zu bewegen. Ein Leitwort aus dem Zukunftsbild spricht davon, dass Christen „gesendet“ sind – von Jesus Christus selbst. Rausgeschickt in die Welt, um anderen zu zeigen, wie wichtig und hilfreich der Glaube an diesen Jesus ist.
So gesehen zieht sich „die Kirche“ nicht zurück – jedenfalls nicht, solange es Menschen gibt, die aus Überzeugung Christen sind. Vielleicht sind Sie, liebe Hörerin, lieber Hörer, ja selbst getauft – egal, ob katholisch oder evangelisch. Vielleicht tun Sie deshalb in Ihrem Alltag viel Gutes, sind geprägt von einer christlichen Erziehung. Haben Sie Mut, dazu zu stehen und Ihren Mitmenschen zu zeigen, woraus Sie leben, was Sie motiviert, was Ihnen Kraft gibt – und was für unsere Gesellschaft wichtig ist. Ganz bestimmt finden Sie auch Gleichgesinnte – die ebenfalls Christen sind und sich nur nicht trauen, dazu zu stehen. Mit Ihnen allen steht und fällt die Kirche.
Dass Sie heute aus der Kraft Ihres Glaubens an Gott etwas bewegen können, liebe Hörerinnen und Hörer, an dem Ort, wo Sie leben und arbeiten; das wünscht Ihnen Generalvikar Klaus Pfeffer aus Essen.