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Sonntagskirche | 30.07.2017 | 08:55 Uhr
„Schatz im Acker“
Guten Morgen.
In Kindertagen gab es in unserer Siedlung in Nettetal-Lobberich ein unbebautes Grundstück, auf dem sich einige Erdhügel türmten. Mutterboden für angrenzende Baustellen, überschüssiger Sand, teils auch Schutt und Abfälle. Nach Herzenslust buddelten wir darin herum – und wer weiß, ob nicht irgendwann einmal ein Schatz auftauchte. Meine Mutter zeigte sich von unseren Aktivitäten nur äußerst mäßig begeistert, vor allem, wenn wir die sandgefüllten Schuhe schön gleichmäßig in Küche und Flur entleerten. Und ganz ungefährlich waren unsere Grabungsaktivitäten außerdem nicht. Trotzdem wir nie etwas gefunden haben, ließ uns die Faszination nicht los. Es könnte ja doch...
Erst kürzlich kehrte ich spätabends zu Fuß von einer Veranstaltung im heimatlichen Lobberich zurück. Auf dem Weg zum Haus meiner Eltern, wo ich für diese Nacht eine Bleibe finden würde, kam ich an diesem Grundstück vorbei – das längst mit einer Reihe von Häusern bebaut ist. Ich blieb stehen - meine Erinnerungen gingen zurück in die siebziger und in unsere „Grabungszeiten“. Mein Blick ging über die mittlerweile schmucken Gärten, und ich hätte noch genau sagen können, wo wir damals nach Schätzen gegraben hatten. Und immer noch das seltsame Gefühl: Wer weiß, was unter der Erdnarbe noch alles schlummert... Vielleicht auch ein unentdeckter Schatz. Und: Wer weiß, wie der Schatz aussieht? Eine alte Kiste mit Gold- und Silbermünzen? Oder etwas, was gar nicht nach „Schatz“ aussieht – aber vielleicht noch viel wertvoller ist als Gold und Silber? Mit den alten Bildern im Kopf schüttelte ich unwillkürlich meine vollkommen sauberen Schuhe aus – es sollte doch kein Sand im frisch-geputzten Flur landen...
Auch in den katholischen Kirchen wird an diesem Sonntag die Geschichte vom „Schatz im Acker“ vorgelesen. So, sagt Jesus, soll es nämlich mit dem Himmelreich sein – wie mit einem Schatz, der tief in einem Acker vergraben ist. Wie der aussieht – das weiß auch kein Mensch. Und manchmal, wenn ich mich mit dem Text des Matthäus beschäftige, frage ich mich, wie es um diesen „Schatz Himmelreich“ im Acker bestellt ist. Liegt der etwa gleich unter meinen Füßen? Oder ist alles Graben nur verschenkte Zeit? Wie stelle ich mir diesen Schatz vor? – Wie auch immer: Fakt ist, dass man sich, wenn man denn nach einem, oder nach „dem“ Schatz sucht – bücken muss. Das geht nicht im Stehen oder gar im Sitzen – runter, am besten auf die Knie – und los! So, wie damals, in den Erdhügeln unserer Siedlung. Was genauso wichtig ist: Ohne Druck graben. Nicht losgraben, weil man unter einem wie auch immer gearteten Erfolgszwang steht. Sondern einfach so. Aber mit wachem Blick. Schnell geht da beim Graben auch etwas verloren, wird verschüttet und verschwindet wieder in den Tiefen der Erde.
Wer weiß, wie oft uns das damals in Kindertagen passiert ist. Und wer weiß, wie oft uns das auch heute noch passiert, während wir nach dem „Himmelreich im Acker“ Ausschau halten. Schon diese Wort-Kombination macht stutzig: „Himmelreich“ – da schau ich doch gleich mal nach oben... Ich käme vermutlich kaum auf die Idee, den Himmel unten zu suchen... Doch gerade da ist er zu finden. Jesus sagt das an ganz vielen anderen Stellen in der Bibel. Und er hat es uns an Weihnachten sogar vorgemacht: Er, Gottes Sohn, kommt nicht in einem Palast zur Welt, sondern in einer Höhle, draußen vor der Stadt, in einer Futterkrippe, vor der man sich bücken muss, um genau hinsehen zu können.
Schon wieder so eine merkwürdige Kombination: Erinnerung an Weihnachten mitten im Hochsommer... Und doch macht es irgendwie Spaß, in diesen ungewöhnlichen Kombinationen zu denken. Das weitet den Blick und steigert die Aufmerksamkeit für das, was dieser Gott mit seinem „Himmelreich“ für mich bereithält.
Ich wünsche Ihnen an diesem Sonntag viel Freude und Glück beim Graben nach ihrem ganz persönlichen Schatz. Vielleicht finden sie ihn ja ganz unverhofft, Ihr Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.