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Sonntagskirche | 05.11.2017 | 08:55 Uhr
Ende der Saison
Guten Morgen!
Novembertage und Sonntagsausflüge sind ja so eine Sache. Wer plant bei dem Wetter schon langfristig? Hier, in Kevelaer am Niederrhein, steht jetzt in manchen Schaukästen ganz eindeutig: „Die Saison ist beendet!“. Selbst die Gastwirte erwarten also keine Sonntagsausflügler mehr. Gut, im Pilgerort Kevelaer wundert das nicht Am 01. November wurde das Wallfahrtsportal feierlich verschlossen. Bis zum 01. Mai bleiben den Besuchern nun die Seiteneingänge. „Die Saison ist beendet“. Novemberstimmung. Ich gehe durch die, im Sommer teilweise überfüllte, Hauptstrasse in Kevelaer. Da wo sich sonst Pilger und Spaziergänger dicht an dicht drängen, bin ich nun fast allein. Das war erst befremdlich, ungewohnt, fast etwas gespenstisch. Irgendwann aber: „Das hat aber auch was!“. Da musste ich an ein Lied von Reinhard Mey denken, in dem es heißt:
Sprecher:
https://www.youtube.com/watch?v=KsKEAOaiwgk …
Wie all diese Geräusche deutlicher und lauter scheinen,
Wenn erst die lauten Stimmen der Saison verklungen sind!
Wenn sich jetzt zwei begegnen, ist das fast eine Verschwörung,
Und Wildfremde erzähl‘n dir ihren ganzen Lebenslauf
Im Flüsterton, denn Sprechen wäre jetzt schon eine Störung.
Jetzt hat nur noch die Post und manchmal der Schuhladen auf.
(…)
Ich liebe das Ende der Saison!
Ich gestehe: Ich mag die sprichwörtlichen Nach- und Nebensaisonzeiten sehr. Diese Zeiten geben mir die Möglichkeit, einen anderen Blick auf meine Alltäglichkeiten zu werfen. Sie ermöglichen mir einen Luxus, der in den betriebsamen Zeiten oft unmöglich ist.
Ich kann Dinge „deutlicher und lauter hören“, die in den Stimmen und im Betriebs-Lärm unterzugehen drohen. Ich kann Begegnungen und Freundschaften anders pflegen, wenn sich nicht Grillfest an Grillfest und Gartenparty an Gartenparty reihen. Ich kann anders und neu zuhören, achtsamer sprechen und mir die ein oder andere zusätzliche Gedankenschleife gönnen. Und: ich kann mir –vielleicht auch nur das ein oder andere Mal- ein wenig Zeit mit mir selber gönnen, um über die für mich wichtigen Dinge in meinem Leben nachzudenken.
Und daher kann ich ihnen verraten: Das Ende der Saison ist genau aus diesem Grund auch hier in Kevelaer schön. Die Kapellen und Kirchen in denen sich in der Wallfahrtzeit Gottesdienst an Gottesdienst reiht, sind oft Menschenleer und öffnen ihre Räume für eine IBM-Zeit. Diese „ich bei mir- Zeit“ tut gut und sie ist Luxus, den man sich ab und zu gönnen sollte.
Reinhard Mey kommt am Ende seines Liedes zu einigen Dingen, die ihm wirklich wichtig sind. Und seine Gedanken über das Saisonende münden dann in einem Wunsch für das Ende seines eigenen Lebens.
Sprecher:
„Du brauchst im Leben wirklich nur, um keine Not zu leiden,
Einen Freund, ein Stück Brot, und ein Glas Wein!
Und all das gibt es hier noch allemal an allen Tagen,
Und wenn du klug bist, werden Leib und Seele satt davon.
„Und übrigens, die Runde geht auf mich!“ hör‘ ich mich sagen.
Ich liebe das Ende der Saison!
Und denk‘ dabei, ich stünde gern in fernen Tagen
Am Fenster einer kleinen, langsam schließenden Pension,
Und sähe auf die Wege meines Lebens und könnt‘ sagen:
Ich liebe das Ende der Saison!“
Gott hat übrigens immer Saison und stellt seinen Service auch in der Nebensaison nicht ein. Das gilt nicht nur – aber auch – hier in Kevelaer.