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Kirche in WDR 4 | 16.10.2017 | 08:55 Uhr
Happy Boss Day
Wenn Sie zufällig „Chef“ oder „Chefin“ sind – dann ist heute Ihr Tag: „Happy Boss Day“. In den USA gibt’s diesen Tag schon seit ein paar Jahrzehnten. Da ist es heute üblich, den Vorgesetzten eine Wertschätzung zukommen zu lassen – vorausgesetzt natürlich, sie haben es sich „verdient“. Dann gibt’s neben guten Worten schon mal Blumen, Pralinen oder einen Kaffee mit frischen Donuts – von den Mitarbeitenden zubereitet.
Ob hierzulande ein „Boss Day“ eine Chance hätte? Über „die da oben“ wird ja eher gemeckert. Politikern, Firmenchefs und natürlich auch Kirchenoberen trauen viele nicht über den Weg. Es heißt: „Die da oben“ sind autoritär, machtfixiert, oft korrupt. Sie haben keine Ahnung von dem, was „da unten“ in der Realität los ist. So ungefähr habe ich vor ein paar Jahren auch gedacht.
Jetzt geht das nicht mehr. Ich bin auch einer von „denen da oben“ - als katholischer Generalvikar bin ich Stellvertreter des Bischofs von Essen. Kirchlich gesehen ist das „oben“. Und seitdem gehöre ich zu denen, die Zielscheibe der Unzufriedenen sind. Vieles läuft in der Kirche nicht so, wie sich das die meisten Leute wünschen. Schuld daran sind dann meist die Priester, die Bischöfe, die Führungsleute in den Gremien. Wenn die alle „besser“, „klüger“ und überhaupt anders wären – dann, ja dann, wäre auch alles besser.
Mich nervt das inzwischen, wie pauschal über Politiker, Firmenchefs, und sonstige Verantwortliche in Organisationen geurteilt wird – oft ohne Hintergrundwissen darüber, wie kompliziert viele Zusammenhänge sind. Kein Chef ist allmächtig und kann nach Belieben agieren. Auch als Generalvikar muss ich Rücksicht nehmen – auf viele Interessen, auf finanzielle Grenzen. Ich merke jeden Tag, wie wenig ich im Grunde beeinflussen oder wirklich allein entscheiden kann.
Ich weiß, es gibt schwarze Schafe unter Führungsleuten; auch Fehler und Versagen. Aber das ist kein Grund, pauschal jedem Dummheit oder böse Absichten zu unterstellen, der Verantwortung übernommen hat. Manchmal habe ich den Eindruck: Sobald jemand in seinem Verein, im Elternrat der KiTa oder in der Schulpflegschaft einen „Posten“ hat, wird er verdächtigt, nur eigene Interessen im Sinn zu haben. Für Leute, die in der Politik oder im Beruf „aufsteigen“, gilt das ähnlich. Dass Menschen es ehrlich meinen, wenn sie sich für ein großes Ganzes an der Spitze engagieren – damit rechnet kaum jemand noch.
Deshalb finde ich den „Boss Day“ eine gute Idee: Denn es gibt ziemlich viele „Bosse“ und „Bossinnen“ – also Menschen, die Verantwortung unter uns und für uns tragen. Wir brauchen sie! Wie soll denn unser Leben gelingen, wenn es keine Leute mehr gibt, die Verantwortung übernehmen in der Politik, im Beruf, in der Kirche, in meiner Nachbarschaft, in Organisationen und Gemeinschaften? Wir brauchen Frauen und Männer, die den Mut und das Zeug dazu haben, zu steuern, zu führen, zusammen zu halten. Und wir brauchen Leute, die ihnen den Rücken stärken – und am „Happy Boss Day“ vielleicht einen Kaffee mit Donuts spendieren. …
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