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Kirche in WDR 4 | 09.04.2018 | 08:55 Uhr
In Gottes Hand
Ein sonniger Nachmittag in Münster. Die Tische in den Lokalen der Altstadt sind gut besetzt. Endlich Sonne. Endlich Wärme. Endlich Wochenende. Und dann geschieht das Unfassbare. Ein Mann steuert seinen Kleinbus in die vor einem Lokal sitzende Menschengruppe. Eine 51jährigeFrau und ein 65jähriger Mann sterben. Gut zwanzig Menschen werden verletzt, manche schwer, einige schweben in Lebensgefahr. Der Täter, ein 48jähriger aus Münster. Erschießt sich im Tatfahrzeug. Horror. Blankes Entsetzen. Panik. Der Friede: zerbrochen – für diesen Tag. Diese gerade noch helle, wärmende Sonne: fern und fremd – für diesen Tag. Das Leben in Münster atmet schwer. Manche bangen noch um ihre Liebsten in den Krankenhäusern, drei Menschen sind tot. Der Bürgermeister spricht, die Bundesregierung drückt den Angehörigen ihr Mitgefühl aus, die Kirchen laden am Sonntagabend zu einem Gottesdienst.
Wir haben es nicht in der Hand. Wir haben unser Leben letztlich nicht in der Hand. Keiner soll sagen das, was in Münster oder anderswo in der Welt an Wahnsinn und Gewalt geschieht sei Gottes Wille. Gott will das Leben. Gottes Willen sehe ich an Jesus, der sich wie ein guter Hirte sieht und sagt: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe Ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus der Hand meines Vaters reißen.“ (Joh. 10,27-29) Und niemand wird sie aus der Hand meines Vaters reißen. Die Hand Gottes als Bild für den Ort an dem alles, wirklich alles wieder gut ist. Was hier in dieser Welt nicht mehr gut und heil werden kann. Die Hand Gottes als Bild für den sicheren Ort für die, die – vielleicht wütend, sprachlos – trauern, für die, die um ihre Angehörigen zwischen Leben und Tod bangen. Und für alle Menschen, die Angst haben. Und jetzt mehr Angst haben. Sich in einer Altstadt bei Sonnenschein in ein Kaffee an einen Tisch zu setzen.
Es klingt wie eine Zumutung: Wir leben in einem der sichersten Länder der Erde, - und unser Leben ist doch ungesichert. Verletzbar, fragil, eben menschlich. Und – geborgen in Gottes Hand: im Leben und im Sterben und über den Tod hinaus. Geborgen. Dieses Geborgensein ist die Grenze meiner Angst und Trauer. Etwas, vielleicht nur ein Hauch oder ein Funken davon, wird auch jetzt in Münster spürbar. Überall dort, wo Menschen Leid und Schmerz und Wut und Trauer mit aushalten. Wortlos vielleicht, aber solidarisch mitaushalten. Weil Dasein meistens wichtiger ist als Antwortenbekommen. Was der Psalmbeter sagt, glaube ich, gilt für alle Welt und in Münster: „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“ (Ps. 34,19) An Gräbern und in Krankenhäusern, in Wohnzimmern – und irgendwann einmal auch wieder auf dem Weg in ein Kaffee.