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Kirche in WDR 4 | 10.08.2018 | 08:55 Uhr
Mission!?
Keine europäische Nation hat bei der Eroberung der Neuen Welt mehr skandalöse Schuld auf sich geladen als die Spanier. Und die Kirche hat hemmungslos mitgemacht. Auch das: ein Skandal! Wenn Sie auf irgendeiner Fußgängerzone Menschen fragen würden, ob sie diese Auffassung teilen, werden Sie lebhafte Zustimmung finden. Dabei ist das historisch eindeutig falsch, sagt nicht der spanische König oder der Vatikan, sagt die neuere Forschung und zwar einhellig.
Woran liegt das, dass solche Fake-News 500 Jahre überdauern? Das spanische Weltreich war Mitte des 16. Jahrhunderts das mächtigste Reich wohl auf der ganzen Erde. Die gewaltigen spanischen Flotten beherrschten die Meere majestätisch und fast ungehindert. Wenn da nicht die Engländer und die Holländer gewesen wären, die mit Kaperfahrten auf See und mit einem Dauerkrieg in den Niederlanden zu Lande die Spanier erst wie mit Nadelstichen gereizt und dann am Ende zermürbt hätten. Dabei wirkte am nachhaltigsten die Medienmacht der beiden protestantischen Nationen, die die so genannte Legenda negra produzierte, jene schwarze Legende, die bis heute die Spanier verdammt schlecht aussehen lässt. Denn eigentlich müsste man sich doch fragen, warum denn die indianische Bevölkerung im Machtbereich der Holländer und Engländer in Nordamerika bis auf einen ganz kleinen Rest völlig verschwunden ist, warum es da eine weiße Mehrheitsbevölkerung gibt, die sich bis heute oft schroff von Menschen anderer Hautfarbe abgrenzt, während es in Lateinamerika selbstverständlich Mischbevölkerungen gibt und auch die indianische Kultur dort vielfach überdauert hat.
Die neuere Forschung kann all das beantworten. Im Gegensatz zu den Protestanten kannten die Katholiken das so genannte Naturrecht. Aus katholischer Sicht hatte deswegen jeder Mensch von seiner Natur als Mensch her unveräußerliche Menschenrechte, während für die Protestanten die Begnadung durch die Taufe entscheidend war, die ein Nichtchrist nun einmal nicht hatte. Daher mahnten schon die Columbus begleitenden Franziskaner-Patres die Spanier, die Menschenrechte der Indianer zu achten. Wenig später hält im Jahr 1511 der Dominikaner-Pater Antonio de Montesinos eine berühmt gewordene flammende Predigt gegen die Ausbeutung und Versklavung der Indianer. Ja, die Dominikaner tun etwas Unerhörtes: Sie verweigern Sklavenbesitzern die Sakramente und das christliche Begräbnis. Papst Paul III. erklärt im Jahre 1537 die uneingeschränkten Menschenrechte der Indianer und schärft das alte kirchliche Verbot von Zwangstaufen ein. Die „Magna Charta“ der Menschenrechte der Indianer hat man diese päpstliche Erklärung später genannt. Im heutigen Paraguay begründen die Jesuiten den so genannten Jesuitenstaat, in dem die Indianer sich selber regieren können und vor Ausbeutung und Versklavung geschützt werden. Sogar marxistische Forscher erkennen inzwischen an, dass es keine Nation gab, die sich so wie die Spanier ein Gewissen daraus machte, wie sie mit den Indianern umging. Denn auch da kann es nicht darum gehen, die skandalösen Grausamkeiten der Spanier kleinzureden. Doch dass es spanische Kirchenleute waren, die damals die Menschenrechte aller Menschen proklamierten und damit aus christlichem Geist das moderne Völkerrecht schufen, das muss man den Spaniern schon lassen.