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Kirche in WDR 4 | 28.09.2018 | 08:55 Uhr
"Wissen ist Macht - aber Weisheit vor Gott"
Guten Morgen,
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“, sagte der alte Sokrates. Er war ein griechischer Philosoph. Eine weise Erkenntnis?
Heute, am 28.09. 2018 – dem „internationalen Tag des Rechts auf Wissen“ macht es Sinn, einmal nach der Bedeutung von Wissen zu fragen.
„Wissen ist Macht“ – heißt ein Sprichwort.
Und ohne Bildung keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder in Wirtschaft und Politik.
In meiner Arbeit als Pfarrerin in der Studierendengemeinde in Köln bin ich an Universitäten und Hochschulen umgeben von lauter „schlauen“ Menschen.
Von Lehrenden, die ihr Wissen weiter geben, die belesen, gelehrt und reich an Erkenntnissen sind.
Die nach der Studienreform aber alles Wissen in immer kürzerer Zeit vermitteln müssen. Zielgerichtet, nach Punkten bemessen. Viel Platz für Diskussion, Lebensfreude und Krisen bleibt da nicht. Und die braucht es, wenn aus Wissen Weisheit werden soll.
Deshalb frage ich: Von welchem Wissen, lasse ich mich leiten? Wieviel Wissen ist gut, um eine Prüfung sicher zu bestehen und wieviel Gelassenheit und „Nichtwissen“ tun genauso gut? Wieviel angestrengtes und konzentriertes Lernen ist notwendig – wieviel Zeit für Leben und Kreativität aber auch?
Ja, Wissen ist Macht. An Schulen, Hochschulen, in Forschung und Lehre.
Wissen ist – biblisch verstanden aber vor allem Weisheit.
In der Bibel geht Wissen einher mit Weisheit. Als weise gilt, wer geistige und handwerkliche Fähigkeiten besitzt. Wer Scharfsinn, List und Naturerkenntnis vereint.
Wer immer auch die praktische Erfahrung und Lebenswelt in das eigene Denken und Handeln einbezieht.
Im 1. Buch Könige in der Bibel ist Weisheit ein Geschenk an König Salomo. Als gottesfürchtig wird er beschrieben, erhaben, fromm und gerecht. Sein salomonisches Urteil wirkt nach bis in die Gegenwart. Es fußt auf einer Weisheit, die anders ist.
Und so kam es zu seinem weisen Urteil: Zwei Frauen streiten sich um ein Kind. Beide behaupten, seine Mutter zu sein. Da gibt König Salomo die Anweisung, das Kind mit dem Schwert zu teilen. Jede von ihnen soll eine Hälfte bekommen. Da zeigt sich die wahre Mutter und die Liebe zu ihrem Kind: Sie verzichtet - damit das Kind am Leben bleibt.
Da wird die Weisheit ganz menschlich. Lebenspraxis und kluger Rat verbinden sich bei Salomo.
Klar: Es geht nicht ohne Wissen und Gelehrsamkeit.
Ohne den kritischen Geist und die theoretische Auseinandersetzung.
Was wäre die Welt ohne solche weisen Menschen?
Andererseits: Was wären aber die Hochschulen ohne Orte, an denen Lebenserfahrung gemacht und gesammelt werden kann? An denen jeder so sein darf wie er, wie sie gerade ist? Ohne Matrikelnummer und Leistungsnachweis. Mit allem, was Studium und Alltag so mit sich bringen.
Andrea, eine Studentin, schreibt mir in einer Email:
„Ich schreibe, weil ich einen Gesprächspartner brauche, ich komme mit verschiedenen Themen im Leben nicht klar. Vielleicht ist es nur eine melancholische Phase, vielleicht mehr.“
Sie sucht Rat, ein Gespräch, ein offenes Ohr, Zeit. Nahrung für ihre Seele.
Etwas, das nicht in Büchern zu finden ist und in keinem Hörsaal. Eine Begegnung von Mensch zu Mensch, ganz nah am Leben. In der für mich auch Gottes Nähe spürbar ist.
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – meint der alte Sokrates.
Und ich ergänze: ich weiß, dass Wissen nicht alles ist!
Ihre Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.