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Kirche in WDR 4 | 31.01.2019 | 08:55 Uhr
Rückwärts-Tag
Guten Morgen,
erinnern Sie sich noch an die Rolle-Rückwärts im Sportunterricht?
Erst mit rundem Rücken auf der Matte hin und her schaukeln, dann Schwung nehmen, um schließlich rückwärts über den Kopf wieder auf die Füße zu rollen.
Eine ungewohnte Bewegung, die nicht einfach ist und Übung erfordert.
Heute, am 31. Januar wird der Rückwärts-Tag begangen. Heute also einmal konsequent den Rückwärtsgang einlegen und sämtliche Aktivitäten rückwärts ausführen. Rückwärts lesen, rückwärts schreiben, rückwärtsgehen. Besonders geschickte Denker sprechen an diesem Tag sogar jeden Satz rückwärts. Dabei hat die Idee vom Rückwärts-Tag keinen ernsten Hintergrund, sondern dient eigentlich nur dem Spaßfaktor. (1)
Aber was als Spaß gemeint ist, hat durchaus einen tieferen Sinn.
Manchmal tut es gut, rückwärts zu gehen, zurück zu schauen.
Im Laufsport ist Rückwärtslaufen längst ein Trend.
Sprecher: Dabei laufen die Athleten „mit den Fersen und dem Rücken voran, während der Blick `nach hinten` zeigt.“ (…) So wird das Rückwärtslaufen für eine bessere Koordination genutzt. Gleichgewichtsgefühl und die Körperhaltung können somit auch zu mehr Selbstbewusstsein beitragen. (2)
Autorin: Ein interessanter Gedanke. In unserer Welt ist heute alles eher vorwärtsgewandt.
Da muss alles immer schnell vorangehen.
„Sonst überholen uns die anderen und ziehen an uns vorbei. Die Entwicklung bleibt schließlich nicht stehen“, höre ich den Chef eines großen Unternehmens zu seinen Mitarbeitenden sagen.
„Wir müssen jetzt nach vorne schauen“ - heißt es bei Politiker*innen oft. Ja, es ist wichtig, die Zukunft in den Blick zu nehmen, den neuen Entwicklungen nicht hinter her zu laufen.
Es hilft nicht, an der Vergangenheit zu kleben und rückwärtsgewandt am liebsten alles so zu lassen wie es ist.
Aber manchmal hilft eben auch ein Blick zurück, auf das, was gewesen ist.
Wie am Ende eines Jahres, am Ende eines Lebens oder auch am Ende eines Urlaubs. Zurückschauen und sich der schönen Momente vergewissern, sie nicht gleich wieder im Trubel des Alltags untergehen lassen.
Erinnerungstage begehen. Im Gedächtnis behalten, was einst passiert ist – schmerzhafte und feierliche Ereignisse.
Damit die Erinnerung, der Blick zurück uns helfen, dass Geschichte sich nicht wiederholt.
„Hinterher ist man immer klüger“, lautet ein Sprichwort. Im Rückblick hätte ich vielleicht manches besser oder anders gemacht. Im Rückblick und mit Abstand kann ich das, was passiert ist, mit anderen Augen sehen.
Sprecher: "Es ist wahr, (…) daß das Leben rückwärts verstanden werden muß. Aber darüber vergißt man den andern Satz, daß vorwärts gelebt werden muß." (3)
Autorin: …hat der dänische Philosoph Sören Kierkegaard einmal gesagt.
Wir können wohl immer erst im Nachhinein ein Gesamtbild unseres Lebens erkennen. Erst in der Rückschau lässt sich aus Momentaufnahmen und Einzelgeschichten ein Ganzes erstellen. Trauriges und Fröhliches, Leichtes und Schweres ergeben dann ein ganzes, einmaliges Lebensbild. Der Blick zurück hilft dann, die Zukunft in den Blick zu nehmen und zuversichtlich und neugierig den Weg nach vorne anzutreten.
So verstanden, begehe ich gerne den Rückwärtstag und blicke gespannt auf das,
was vor mir liegt.
Es grüßt Sie Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.
( 1 ) Quelle: http://www.kleiner-kalender.de/event/rueckwaerts-tag/89652.html (Letzter Abruf 15. Januar 2019)
( 2 ) Sinngemäß und wörtlich zitiert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Rückwärtslaufen (letzter Abruf: 15. Januar 2019)
( 3 ) In: Sören Kierkegaard, Die Tagebücher. Deutsch von Theodor Haecker. Brenner-Verlag 1923, S. 203.