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Kirche in WDR 4 | 27.02.2019 | 08:55 Uhr

Tamar redet

Autorin: Guten Morgen.

Eine junge Frau mit dem Namen Tamar erzählt ihre Geschichte. Ich lese sie in der Bibel (1):

Sprecherin: „Ich spürte noch die Schmerzen, fragte mich …, dachte …, sah den Schmutz auf meinem Kleid… wünschte … dachte: Mein Gewand – das der Königstöchter, der Jungfrauen.“

Autorin: Tamar will schreien. Sie ist von ihrem Halbbruder Amnon vergewaltigt worden. Aber dann nimmt sie den Staub von der Erde auf und verteilt ihn über ihr Gewand. Sie zerreißt es und legt die Hand auf ihren Kopf. So drückt man in ihrer Kultur Trauer aus. Und dann erst schreit sie doch, einen markerschütternden Schrei. Da kommt Absalom, Tamars anderer Bruder zu ihr und fragt sie.

Sprecher: „War Amnon, dein Bruder bei dir?“

Autorin: Tamar nickt stumm.

Sprecher: “Dann, meine Schwester, schweig! Dein Bruder ist er. Nimm dir diese Sache nicht zu Herzen.“

Autorin: Was vor so langer Zeit aufgeschrieben worden ist, ist noch immer aktuell. In Gesprächen mit Betroffenen, sei es in der Schule, sei es in der Gemeinde erleben wir als Pfarrerinnen und Pfarrer immer wieder: Da raten Familienmitglieder oder Freunde dazu, einen sexuellen Übergriff oder eine Vergewaltigung ganz schnell zu vergessen.

Tamar aus der Bibel hatte hin und her überlegt, ob sie auf ihren Schmerz aufmerksam machen sollte. Zuerst zerriss sie nur ihr Gewand, erst dann schrie sie.

Tamar hat schreien können. So hat sie ihr Schicksal öffentlich gemacht. In Gesprächen erleben wir aber: Nur wenige Menschen können laut schreien, wenn ihnen Schreckliches geschehen ist. Dann müssen sie auch schweigen dürfen.

In einer Beratungsstelle sitzt eine Frau und erzählt ihre Geschichte: Als kleines Mädchen ist sie bei einer Schulfreundin zu Gast. Es sind zu wenige Stühle im Raum. So sitzt sie auf dem Schoß des Vaters der Freundin. Plötzlich fühlt sie seine Hand an einer intimen Stelle. Und erstarrt. Das kleine Mädchen ist heute erwachsen, aber das Gefühl des Ausgeliefertseins ist nicht kleiner geworden, sondern eher größer. Und über das Erlebte reden kann sie nur im persönlichen Gespräch.

Wie viele andere Kinder und Erwachsene, die von sexueller Gewalt betroffen sind.

Die Me-Too-Debatte hat mir noch einmal mehr bewusst gemacht: Grenzüberschreitungen können schwerwiegende Folgen haben – oft bis ins Erwachsenenleben hinein.

Wir als Gesellschaft, als Angehörige und Freunde und alle, die professionell in diesem Bereich arbeiten, wir haben die Aufgabe, die lauten und stillen Zeichen der Kinder und der erwachsenen Betroffenen wahrzunehmen und ernst zu nehmen, wenn sie vielleicht dann doch reden. Und es ist wichtig, fachliche Hilfe zu holen, wenn die Betroffenen sich diese Hilfe nicht selber holen können. Ich denke heute besonders an die missbrauchten Mädchen und Jungen in Lügde. Dort sind im Jahr 2008 wohl zuerst keine Verdachtsmomente gemeldet worden. Später sind Signale nicht aufgenommen worden oder sie hatten keine Konsequenzen. (2)

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche den Schutz bekommen, den sie brauchen. In Lügde besteht der Verdacht, dass sie Behörden versagt haben. Aber die Behörden, egal ob Polizei oder Jugendämter müssen auch mit dem nötigen Personal ausgestattet werden. Als Pfarrerin höre ich immer wieder, dass vonseiten der Behörden bei Problemen nicht gut genug beobachtet werden kann oder nicht schnell genug eingegriffen wird. Weil das Personal fehlt. Das muss sich ändern. Und darüber müssen wir reden.

Findet Gerlinde Anders, Pfarrerin in Leverkusen.

1 Vgl. 2. Samuel 13 und auch https://www.ekir.de/gender/Mirjamsonntag-2018.php

2 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/missbrauchsfaelle-luegde-chronik-100.html, Zugriff am 5.2.2019.

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