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Sonntagskirche | 24.02.2019 | 08:55 Uhr
Gott hat Humor
Guten Morgen.
Wir waren Kinder, saßen gut gelaunt im Stuhlkreis. „Mein rechter, rechter Platz ist frei - ich wünsche mir Daniela herbei!“ rief meine Freundin von gegenüber. „Und als was soll ich kommen?“ fragte ich zurück. „Als Tiger!“ antwortete sie erwartungsvoll - und schon kroch ich fauchend und die Tatzen schwingend auf allen Vieren zu ihr hinüber, nahm den neuen Platz ein und wir kringelten uns vor Lachen.
Spielen macht mir auch heute noch Spaß. Genau wie mal in eine andere Rolle zu schlüpfen. Raus aus dem Gewohnten, mit neuen Kleidern einen neuen Charakter anziehen. Sie ahnen sicher, worauf ich hinaus will: Die Karnevalswoche steht vor der Tür. Zeit, in bunten Kleidern durch die Straßen zu ziehen. Zeit, mal jemand anderes zu sein: Närrisches Treiben, Altweiberfasching, Rosenmontag, Faschingsdienstag - und am Aschermittwoch ist dann alles vorbei.
Nun sagt man über Christen ja gerne: Die haben keinen Humor. Deshalb sind wir so richtig erst nach Karneval wieder dran. Dann rufen wir zum Fasten auf, zu „7 Wochen ohne“ – in diesem Jahr unter dem Motto „Mal ehrlich! – 7 Wochen ohne Lügen“. Oder auch 7 Wochen ohne Süßes, ohne Alkohol - gefühlt also ohne alles, was Spaß macht.
Darf ein Christ also kein Narr sein? Muss ich als Christin - schlimmer noch: als Pfarrerin - den schwarzen Frack tragen und dem bunten Treiben streng von außen zusehen, während die anderen „die Sau rauslassen“?
Übrigens ein Begriff, den die Metzgerinnung anlässlich des Karnevals schon im 15. Jahrhundert geprägt hat. Vorm Fasten wurde nochmal reichlich geschlachtet, um sich ordentlich den Bauch vollzuschlagen.
Etwa zur gleichen Zeit sprach sich nun der Reformator Martin Luther tatsächlich für ein Verbot des Faschings aus. Womit der evangelischen Kirche der Spaß seitdem mehr versagt ist als der katholischen. Die katholische Kirche sieht den Karneval als Gelegenheit, uns das anschließende Fasten zu versüßen. Mit dem Aschenkreuz am Aschermittwoch hat sie ein schönes Ritual gefunden, den Übergang vom Karneval zur Fastenzeit zu markieren.
Allerdings: Auch Martin Luther war kein Kostverächter. Seine Tischreden sind voll von derbem Humor, und das Lachen sah er als Zeichen göttlicher Gnade an. Luther rief selbst dazu auf, zu essen, zu trinken, zu spielen und sogar mal eine Sünde zu riskieren. Und damit scheint er in guter Gesellschaft zu sein, denn Jesus selbst wurde schon als „Fresser und Weinsäufer“, als „Freund der Sünder“ beschimpft (Matthäus 11,19; Lutherbibel 1984).
Ich persönliche glaube ja: Gott hat Humor. Denn schauen wir sie an, seine bunte Schöpfung. Dieses ganze närrische Treiben ist ja nicht nur unsere Idee, wo wir doch Gottes Ebenbilder heißen. Außerdem hilft mir der Gedanke, dass Gott Humor hat. Gerade dann, wenn mir mal nicht zum Lachen zumute ist. „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt“, heißt ein Spruch von Joachim Ringelnatz. Ich freue mich drauf, in den nächsten Tagen mal den Platz zu tauschen, Karneval statt Kanzel.
Ich freue mich drauf, mich gewollt zum Narren / zur Närrin zu machen und nicht aus Versehen. Das tut gut - und das darf es auch. Gott hat Humor, lachen wir ruhig mit.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Sonntag!
Informationen und Quellenangaben:
„Mein rechter, rechter Platz"
https://de.wikipedia.org/wiki/Mein_rechter,_rechter_Platz
Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen
https://7wochenohne.evangelisch.de/
Fastnacht und die Christlichen Wurzeln
https://www.evangelisch.de/inhalte/113544/08-02-2018/fastnacht-und-die-christlichen-wurzeln
Luthers Tischreden, nachzulesen bei: Kurt Aland, Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, Vandenhoeck & Ruprecht 1983, verschiedene Bände
„Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“ Zitat von Joachim Ringelnatz (Manchmal auch so zitiert: Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt.)