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katholisch
Sonntagskirche | 03.03.2019 | 08:55 Uhr
Welttag des Hörens
Bärbel konnte immer schon schlecht hören. Besonders als Kind war das schwer. Schuld ist eine Fehlbildung im Ohr. Sie war dadurch nicht schwer von Verstand – nur eben schwerhörig. Aber sag das mal den Kindern auf dem Schulhof. Bärbel hatte oft Angst, dass andere über sie lachen, wenn sie mal wieder etwas nicht verstanden hatte. Manchmal hatte sie einfach nicht gehört, dass jemand einen Witz gemacht hat. Und daher hat sie dann nicht mitgelacht. Die anderen Kinder fanden das komisch. Und weil es ihr immer unangenehmer wurde, noch mal nachzufragen, hat Bärbel meist einfach nur genickt – das half natürlich nicht zu verstehen, worum es in dem Gespräch ging.
Irgendwann hat Bärbel angefangen, Gespräche
zu vermeiden. Gelegenheiten, wo man mit mehreren Leuten etwas unternimmt, hat
sie abgesagt. So kam es, dass sie sich immer mehr aus dem Leben zurückgezogen
hat. Einige haben das nicht verstanden und dann hieß es immer „Bärbel, die ist
komisch“. Und plötzlich war Bärbel isoliert – eigentlich funktionierte nur ihr
Hörorgan nicht richtig, aber es schien, das ganze Zusammenleben klappte nicht
mehr: Hören schafft Verbindung, macht Kommunikation möglich. Hören bedeutet
auch Dinge genießen zu können, zum Beispiel Musik oder auch einen guten Film.
Klar gibt es Untertitel, aber das ist eben nicht das Gleiche.
Die Ärzte haben Bärbel dann vorgeschlagen ein
Cochlea-Implantat einzusetzen. Bärbel hatte große Angst vor der Operation, denn
die bedeutet: Das Hören über das eigene Ohr wird total ausgeschaltet. Dieses Cochlea-Implantat
übernimmt das Hören komplett und sendet die Impulse ans Gehirn. Obwohl Bärbel
kaum noch etwas hören konnte, war es eine schwere Entscheidung, den eigenen
Hörsinn aufzugeben.Die OP ist gut verlaufen und nach ein paar
Monaten hat sich Bärbel an das fremde Hören gewöhnt. Sie ist glücklich, denn
jetzt muss sie keine Angst mehr haben in einem Gespräch eine wichtige
Information zu verpassen oder einen Scherz nicht mitzubekommen. Nach und nach
unternimmt sie wieder mehr, traut sich mehr zu, kommt zurück ins Leben.
Bärbel ist meine Tante und daher habe ich
über die Jahre mitbekommen, wie sehr sie gelitten hat. Und ich kann davon
erzählen, wie sehr Tante Bärbel jetzt das Leben neu genießt – mit allen Sinnen.Heute ist der Welttag des Hörens. Dieses Jahr
steht der Aktionstag unter dem Motto „Hören, der Sinn deines Lebens“. Bärbels Geschichte so hautnah mitzuerleben, das
hat mich sensibel gemacht und zwar in doppelter Hinsicht. Für mich ist das
Hören nicht selbstverständlich, ja überhaupt, dass alle meine Sinne gut
funktionieren. Ich arbeite mit Menschen und brauche dazu alle meine Sinne: Ich
möchte mein Gegenüber im Gespräch ansehen, seine Mimik mitbekommen. Ich möchte
hören in welchen Nuancen mir jemand eine Information erzählt. Ich möchte meine
Stimme als Instrument einsetzen können.