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Kirche in WDR 4 | 23.05.2019 | 08:55 Uhr
70 Jahre Grundgesetz
Guten Morgen!
Sie haben es sicherlich jetzt
schon ein Dutzend Mal gehört: Heute vor 70 Jahren wurde das Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland in Bonn verkündet.
Ich muss sagen, ich bin ziemlich stolz auf dieses Gesetz. Ich finde, dass es
unserem Land gut getan hat.
Ich bin dankbar für die Gründerväter und -mütter, die dieses Gesetz erarbeitet
haben. Viele von ihnen hatten übrigens während des Regimes der
Nationalsozialisten Einschränkungen hinnehmen müssen. Sie durften ihren Beruf
nicht ausüben, wurden verfolgt und ins Gefängnis gebracht. Einige flohen ins
Ausland. Fünf Abgeordnete waren in einem KZ interniert gewesen. Natürlich waren
auch einige dabei, die wichtige Posten bei den Nazis hatten.
Die alliierten Westmächte hatten das Ziel, aus den Fehlern der Vergangenheit zu
lernen. Dieses Ziel wurde vom Parlamentarischen Rat gut umgesetzt.
Und das zu einer Zeit, als Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden lag.
Ein "Wirtschaftswunder" gab es noch gar nicht.
Ich schaue mir mal unser Land an, das von diesem Grundgesetz bestimmt wird.
Wir leben seit über 70 Jahren in Frieden. Wir pflegen gute, freundschaftliche
Beziehungen zu den europäischen Staaten und darüber hinaus.
Unsere Demokratie ist stabil. Wir haben nicht ständig neue Wahlen, weil mal
wieder eine Koalition auseinandergebrochen ist.
Die Gewaltenteilung funktioniert, wir haben unabhängige Gerichte. Und auch
unsere Presse ist unabhängig und klopft den Verantwortlichen oft auf ihre
Finger. Sie als "Lügenpresse" zu bezeichnen, ist eine Beleidigung.
Ich habe keine Angst, dass mir jemand einfach meinen Besitz wegnimmt.
Keiner schreibt mir vor, welchen Beruf ich ergreife, wo ich wohnen muss oder
welchen Partner ich nicht heiraten darf.
Jeder kann wirklich sagen, was er denkt.
Ich kann meinen Glauben frei leben, und das können auch die Juden, Muslime,
Hindus, Buddhisten und welche Religionsgemeinschaften es sonst noch in unserem
Land gibt.
Selbst wenn ich länger krank oder arbeitslos bin, brauche ich nicht zu verhungern.
Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. Egal, was ich mir kaufen möchte,
die Auswahl an Waren ist unübersichtlich. Und oft ist das Bestellte am nächsten
Tag bei mir zu Hause.
Ja, unser Land ist so beliebt, dass vor einigen Jahren zehntausende Flüchtlinge
unbedingt zu uns wollten. Und wir hatten die Kraft, sie aufzunehmen. Für manche
Ursachen der Flucht sind wir in den reichen Industrieländern mit
verantwortlich.
Ich bin dankbar, in diesem Land leben zu dürfen. Dankbar all den Menschen, die
dieses Land möglich gemacht haben. Und auch von Herzen denen dankbar, die bis
heute daran arbeiten, dass es ein gutes Land bleibt. Doch nicht auf Kosten
anderer. Wie es bis heute oft geschieht. Mancher Wohlstand bei uns ist mit
Menschenleben anderswo erkauft. Das soll nicht so sein. Wir sollen
verantwortlich handeln und unser Verhalten immer wieder überprüfen. Im Vorwort (Präambel)
des Grundgesetzes finde ich einen wichtigen Hinweis darauf. Dort steht:
"Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, (…) hat
sich das deutsche Volk (…) dieses Grundgesetz gegeben."
Also, ich bin auch meinem Gott dankbar für dieses Grundgesetz und für dieses
Land! Und will mit daran bauen, dass wir immer die Welt mit im Blick haben. Es
darf uns gut gehen, ja. Soweit andere nicht darunter leiden müssen.
Ihr
Pastor Heddo Knieper aus Herne!