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Kirche in WDR 4 | 24.05.2019 | 08:55 Uhr
Nagelkreuze setzen!
Guten Morgen!
Letzten
Sommer war ich mal wieder in Berlin. Konnte bei Bekannten übernachten und
einige Tage mir unsere quirlige Hauptstadt ansehen. Und - wie es sich gehört -
bin ich auch in die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gegangen. Dort fiel mir ein
Kreuz auf. Es war nicht besonders groß und aus drei langen, verchromten Nägeln
hergestellt. Es hieß das "Nagelkreuz von Coventry". Und damit ist
eine Geschichte verbunden. Im November 1940 wurde diese englische Stadt Coventry
von deutschen Bombern angegriffen. 568 Menschen kamen ums Leben. Große Teile
der Innenstadt, tausende von Wohnhäusern und die mittelalterliche St. Michael’s
Cathedral wurden zerstört. Es war einer der verheerendsten Angriffe der
deutschen Luftwaffe in England.
Ich mag mir gar nicht die Trauer, das Leid und die Angst vorstellen, die solch
ein Angriff bei den Menschen dort auslöste. Und die Wut und der Hass auf die
Menschen, die dafür verantwortlich waren.
Doch wie geht es in solchen Situationen weiter? Was macht man, wenn fremde
Schuld Schmerz und Leid in mein Leben schwemmt?
Die
Menschen der St. Michael’s Cathedral von Coventry wählten den Weg der Vergebung
und der Versöhnung. Sie schrieben: "Im ausgebrannten Gotteshaus feiert die
Gemeinde wieder Gottesdienst. Der Altar ist aus Trümmersteinen errichtet,
verkohlte Dachbalken bilden das Altarkreuz. Die Worte des Versöhnungsgebetes
VATER VERGIB stehen an der Wand des Altarraumes. Sie schließen die Urheber des
Leidens mit ein und überwinden den Hass." (1)
Mich hat das sehr bewegt. Und die Geschichte geht noch weiter: Bei den
Aufräumarbeiten in den Trümmern der St. Michael´s Cathedral wurden auch drei
große Zimmermannsnägel aus dem Dachstuhl der zerstörten Kathedrale geborgen.
Der damalige Dompropst ließ sie zu einem
Kreuz zusammensetzen. Schon 1947 wurde das erste Nagelkreuz an die Nikolaikirche
in Kiel geschickt. Sieben Jahre nach diesem schrecklichen Luftangriff gingen
die Opfer damit auf die Täter zu. Und sie reichten
ihnen mit dem Nagelkreuz die Hand zur Versöhnung. Das ist ein anderer Weg als
den Hass zu konservieren. Es ist eine bessere Möglichkeit, als die Wut zu
bewahren. Ich bin mir sicher, dass dieser Weg den Menschen von Coventry nicht
leicht gefallen ist. Doch sie konnten ihn gehen, weil auch Gott diesen Weg zu
uns Menschen gegangen ist. Weil Gott uns durch seinen Sohn Jesus die Hand zur
Versöhnung reicht. Weil Jesus selbst am Kreuz für seine Peiniger betet:
"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!" (2) Und
damit jeden Menschen einschließt.
Eine Nachbildung des Nagelkreuzes steht mittlerweile in vielen Ländern und
Städten. Auch in NRW gleich an mehreren Orten. Ich möchte von diesem Nagelkreuz
lernen, lernen anderen zu vergeben. Ich will die Wut nicht mit mir herumtragen.
Ich will sie abgeben bevor Hass daraus erwächst.
Und
ich kann Gott darum bitten, dass auch mir die Vergebung gelingt. Ich möchte
Nagelkreuze in meine Umgebung schenken. Das mag nicht der leichtere Weg sein,
aber sicher der bessere.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten Tag, Ihr Pastor Heddo Knieper aus Herne!
Quellen:
1 Zitiert nach der Inschrift in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
2
Lukas 23,34a,
Die Bibel, Luther 2017.
Weitere Informationen:
http://nagelkreuz.org/