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Kirche in WDR 4 | 05.02.2020 | 08:55 Uhr
Tradition, die pflegt
Rückblick in die Kindheit. Meine Mutter, die sich die Hände eincremt. Sie legt ihren Ehering ab. Sie nimmt eine große Menge weiße, fettige Creme und verteilt sie von außen auf den Händen, die nach der Küchenarbeit rau sind. Dann cremt sie jeden einzelnen Finger ein, verteilt den Rest der Creme in den Handinnenflächen. Und legt den Ehering wieder an. Es ist ein feststehendes Ritual. Bis heute beginne ich auch so mein Hände einzucremen. Der Geruch der Creme ist der Gleiche wie früher. Jeden Abend erinnere ich mich an diese Geste, wobei ich sie nie ganz genauso ausführe.
Traditionen wie diese können das Leben über Generationen erfüllen. Bei manchen sorgen Traditionen aber auch für eine Überfüllung. Weil wir es immer schon so und so gemacht haben, ist dann der über allem schwebende Satz, der Entwicklung verhindert. Auch in der Kirche ist das oft so. Ein kluger Theologe hat mal gesagt: Viele tun sich mit der Institution Kirche schwer, weil sie in ihren Traditionen erstarrt ist. Dabei ist eine Institution ein lebendiges Gefäß.
Das ist für mich ein stimmiges Bild. Wenn die Tradition mich erstarren lässt, dann sterbe ich. Wenn sie pflegt, so wie es eine gute Handcreme tut, erhält sie mich lebendig. Tradition ist auch in der Kirche etwas Gutes, sie hilft mir dabei, meinen Glauben zu pflegen. Wenn ich ihn aber nicht so pflegen darf, wie es mir sinnvoll erscheint, lässt sie mich erstarren.
Mit der Handcreme-Metapher gesprochen: Für meine Mutter ist ihre Art, die Hände einzucremen, ein eingeübter, richtiger Weg. Sie tut das mehrfach täglich. Für mich ist es ein Ritual, das mich an sie und unsere innige Verbindung erinnert. Ich muss es aber nicht bis ins letzte Detail nachmachen, ohne es zu hinterfragen.
