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Sonntagskirche | 18.10.2020 | 08:55 Uhr
Ursula - stark wie eine kleine Bärin
Die
mächtigste Frau Europas ist derzeit Ursula von der Leyen. Wie die
Eu-Kommissionspräsidentin zu ihrem Vornamen kam, weiß ich nicht. Aber ich weiß,
wo ihre Namenspatronin verehrt wird: in Köln. Ursula und die legendarischen
11.000 Jungfrauen haben es sogar ins Kölner Stadtwappen geschafft: zwei Drittel
der Fläche nehmen die 11 Tränen ein, die an die Heilige Ursula und ihre
Gefährtinnen erinnern. Am kommenden Mittwoch ist ihr Gedenktag – aber
traditionell beginnt in Köln die Festwoche zu Ehren der Stadtpatronin schon am
Sonntag zuvor, also heute.
Die Erfolgsgeschichte der Kölner Ursula ist ungewöhnlich. Wir wissen, dass in spätrömischer Zeit ein gewisser Senator Clematius durch eine Eingebung nach Köln geführt wurde, um heiligen Jungfrauen, die für Christus ihr Blut vergossen hatten, eine Kirche zu bauen. Über einem Grab aus dem 3. Jahrhundert eines nicht mit Namen bekannten Mädchens entstand so eine Kapelle.
Erst ab dem 9./10. Jahrhundert taucht der Name Ursula für die Anführerin der Gruppe auf. Dass gerade dieser Name genannt wird, hängt damit zusammen, dass in der Nähe des Mädchengrabes ein Grabstein für ein christliches, achtjähriges Mädchen mit Namen Ursula gefunden wurde. „Ursula“ ist eine Verkleinerungsform des lateinischen Wortes „ursa” („die Bärin”). Man nahm an, der Name Ursula bescheinige der Begrabenen Tapferkeit im Märtyrertod.
Aber was genau war dieser kleinen Bärin, der Ursula, geschehen? Dazu brauchte es eine Legende. Die entstand im Mittelalter und Sie können sie noch heute nacherzählt sehen im Chorraum der wunderschönen Ursula-Kirche – unweit vom Kölner Hauptbahnhof. Wenn man so will, finden Sie dort einen raumfüllenden Comic über das vermeintliche Leben jener Ursula. Danach war Ursula, die Tochter des Königs von Britannien. Um einer vorschnellen Heirat mit einem ungetauften Heiden zu entgehen, wollte Ursula mit zehn Jungfrauen drei Jahre lang per Schiff wallfahren, der Bräutigam aber sollte in dieser Zeit den christlichen Glauben kennenlernen und sich taufen lassen. Über Gallien kam man nach Köln und wallfahrte dann nach Rom, um schließlich nach Köln zurück zu kehren. Die Stadt wurde aber gerade von Hunnen belagert, die über die Pilger herfielen und alle ermordeten. Wenn Sie so wollen: ein mittelalterlicher Sexmob in Köln.
Man kann das alles auch nüchtern betrachten: Weil man nichts über ein begrabenes Mädchen wusste, hat sich um ihr Grab ein Netz von phantasievollen Interpretationen entwickelt. Und dann wurden aus 11 auch noch 11.000 Jungfrauen – was mit einem großen Knochenfund zu tun hatte, unweit der Clematius-Kapelle. Was bleibt uns heute davon übrig? Der Kern des Ursulakultes besteht in der Annahme, dass eine junge Frau, die möglicherweise Ursula geheißen hat, für ihren Glauben gestorben ist. Das hat die Menschen über Jahrhunderte so fasziniert, dass um sie herum zahlreiche Traditionen entstanden. Die Knochen der Toten aus jenem römischen Gräberfeld haben den Geschäftssinn einiger Kölner so gekitzelt, dass diese „Ursula-Reliquien“ im Mittelalter zu einem heißen Renner wurden.
Das „starke, kleine Bärchen“ mag heute noch anrühren, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die alten Geschichten eine Anfrage sind: Wie weit reicht unser Mut? Für welche Überzeugungen sind wir bereit, einzustehen? Nicht ohne Grund wurde vor genau 15 Jahren in der Kölner Ursula-Kirche eine Gedenkstätte für die Märtyrer des 20. Jahrhunderts errichtet.
Allen Ursulas, nicht nur der in Brüssel, wünsche ich schon jetzt einen schönen Namenstag am kommenden Mittwoch - aber auch gute Wünsche an alle anderen Hörerinnen und Hörer, die das Beispiel der „kleinen Bärin“ bewegt.