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Kirche in WDR 4 | 30.01.2021 | 08:55 Uhr
Wracks - und wozu sie gut sind
Kennen Sie die Insel Moreton Island im Osten Australiens?
Sie liegt ca. 40 Kilometer nordöstlich von Brisbane, der Hauptstadt von Queensland. Die Insel soll die drittgrößte Sandinsel der Welt sein.
Aber das ist nicht das Besondere an ihr. Man hat dort vor über 50 Jahren eine besondere Recycling-Aktion durchgeführt. Ganz bewusst versenkte man vor der Küste fünfzehn alte, ausgediente Schiffe. Die waren also wirklich nicht mehr zu gebrauchen. Man "arrangierte" die Wracks bewusst am Rande einer Sandbank, um einen Wellenbrecher zu schaffen. So wurde vor der Küste ein sicherer Liegeplatz für Boote und eine ruhige Lagune zum Schwimmen geschaffen. Die Wracks sind inzwischen für Schnorchler und Taucher zu einem beliebten Ort geworden. Und machen Moreton Island bekannt.
Wie gehen wir mit alten, ausgedienten Dingen unseres Lebens um? Ich denke da an Menschen, mit denen ich früher intensiv verbunden war. Und die ich nun schon lange nicht mehr gesehen oder gehört habe.
Vielleicht ist das ein gutes Bild: So manche Freundschaft in meinem Leben wurde zu einem Wrack. Es hat bessere Zeiten erlebt. Doch die sind nur noch schöne Erinnerungen. Die Maschine läuft nicht mehr. Sie setzt Rost an. Und dennoch haben Wracks eine gewisse Schönheit. Ihre Form lässt ihren früheren Stolz erahnen.
Gerne möchte ich diese Wracks als Wellenbrecher um mich herum lagern. Die Erinnerungen an Menschen, mit denen ich einmal verbunden war. Das schöne Gefühl, mit ihnen gute Zeiten erlebt zu haben. Oder mit ihnen gemeinsam schwere Zeiten überstanden zu haben. Gelacht und geweint und vielleicht sogar zusammen gebetet zu haben.
Es tut gut, sich solche Erinnerungen lebendig zu halten. Sich die "Wracks" immer mal wieder anzusehen. Wenn dann Stürme mit hohen Wellen kommen, helfen mir diese guten Erinnerungen. Sie schützen mich davor, ganz unterzugehen. Es gab gute Menschen und schöne Momente in meinem Leben. Und auch wenn ich mich im Augenblick einsam fühle, diese Erinnerungen wärmen mich, tragen mich auch durch diese Coronazeiten.
Und … es können auch wieder neu Menschen in mein Leben treten. Neue Freundschaften können entstehen, so wie damals.
Oder ich aktiviere die Wracks wieder? Melde mich mal bei einem Menschen aus der Vergangenheit? Vielleicht bauen wir ein neues Schiff und die Freundschaft nimmt wieder Fahrt auf.
Klar ist: Gute Erinnerungen können mich stärker machen. Sie zeigen mir den Reichtum meines Lebens. Und deshalb ist es gut, die ehemaligen Freundschaftsschiffe in Sichtweite zu haben. Oder Erinnerungen an andere gute Dinge im Leben.
Schon in der Bibel können wir lesen:
"Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan
hat." (Die Bibel, Psalm 103,2)
Das war Pastor Heddo Knieper aus Soest.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze