Beiträge auf: wdr4
Kirche in WDR 4 | 19.02.2022 | 08:55 Uhr
Kinoverkündigung
Gut oder Böse? Auch um diese Frage geht es in dem Film „Der Pfad“. Er beruht auf Tatsachen und führt zurück in die Nazi-Zeit, eine wirklich böse Zeit. Er läuft seit Donnerstag im Kino und erzählt von einer Flucht durch die Pyrenäen. Darin gibt es diese Szene: Der Vater Ludwig Kirsch und sein zwölfjähriger Sohn Rolf gehen am Strand entlang. Sie betrachten die Menschen, die in der Sonne liegen und versuchen, sie einzuschätzen.
"Gut oder Böse? – Die gehört zu den Guten! – Warum? – Die sieht nett aus. Außerdem liest die. – Glaube ich auch. Gut oder böse? – Böse. Kapital böse!"
Die Eine trägt Badeanzug, Sonnenhut und liest friedlich, der Andere legt gerade seine Uniform zur Seite, auf der unübersehbar ein SS Zeichen prangt. Da ist die Schlussfolgerung, zu wem Gut oder Böse passt, naheliegend. Zumal Vater Ludwig als kritischer Journalist bei den Nazis extrem unbeliebt ist und das Schlimmste befürchten muss.
"Höchste Zeit, von hier zu verschwinden. Wir nehmen den Zug an die spanisch-französische Grenze, spazieren über die Pyrenäen und in Lissabon bringt uns ein Schiff direkt nach New York. – Yes, Sir!"
Gesagt, getan. Schon bald kommen Vater und Sohn in Südfrankreich an. Und treffen dort auf Menschen, die sie überhaupt nicht kennen und die den Flüchtenden, obwohl ihnen selbst deshalb Verhaftung und Standgericht drohen, uneigennützig helfen. Keine Frage: Das ist Gut, nicht Böse!
"Ihr dürft nur leichtes Gepäck mitnehmen. Keine Koffer, keine Rucksäcke. Damit fallt Ihr nur auf. Und was passiert mit unseren Sachen? – Die senden wir Euch nach. So bald wie möglich."
Die französischen Fluchthelfer bereiten alles gut vor, damit die beiden unerkannt die Pyrenäen überqueren können. Schließlich präsentieren sie ihnen die Bergführerin:
"Núri wird euch führen. – Wer ist denn diese Núri? – Núri! (Türgeräusch) – Ein Kind? – Ein Mädchen?– Núria ist unverdächtiger, als wenn wir Euch begleiten würden. Die kennt sich bestens in den Bergen aus."
Schon wieder so ein schnelles Urteil. Als wenn Núria nur deswegen nicht geeignet wäre, weil sie noch so jung ist. – Das erinnert mich an eine Stelle aus der Bibel. Da hatte Gott den Propheten Samuel nach Betlehem geschickt, weil er einen der acht Söhne des Isai zum nächsten König von Israel machen wollte. Und Gott wählte keinen der älteren und stattlichen Söhne aus, sondern David, den Jüngsten, der noch die Schafe hütete. Gott sagte dazu: „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht ins Herz“ (1 Sam 16,7c). Und aus dem kleinen David wurde dann einer der bedeutendsten Könige Israels. David schrieb später auch viele der Psalmen, die noch heute in der Bibel stehen. – Für mich steckt darin eine wichtige Botschaft: Oft reicht nicht der Blick aufs Äußere, der erste Eindruck, um zu entscheiden, wer gut oder böse, wer geeignet oder ungeeignet ist. Und mir ist noch ein Zweites klar: Da gibt es viele Stufen zwischen Gut und Böse – wie Grautöne zwischen schwarz und weiß. – Ein bisschen davon hat schließlich auch der zwölfjährige Rolf im Film „Der Pfad“ verstanden.
"Vielleicht sind wir nicht gut. Aber: Wir sind auf keinen Fall böse!"