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Kirche in WDR 4 | 12.07.2022 | 08:55 Uhr
Geteilte Goldmedaille
Guten Morgen.
Egal, ob die French Open, die olympischen Spiele oder einfach bloß das Fußballspiel zwischen dem SC Bad Salzuflen und SV Werl-Aspe. Ich finde es spannend mir diese Wettkämpfe anzuschauen. Ich fiebere gerne mit. Ich teile mit den Teams die unendliche Freude über den Sieg, einen Platz auf dem Treppchen, eine Platzierung unter den besten fünf oder auch nur über die persönliche Bestleistung. Ansatzweise kann ich auch das Gefühl von Scheitern mitfühlen. Wie enttäuscht ist da einer, wie traurig ein anderer, wie groß sind Ärger und Wut, wenn man weiß: Ich kann es doch eigentlich besser. Aber ich konnte es nicht zeigen. Die Tränen, die dann fließen, tun mir leid.
Bei allem sportlichen Ehrgeiz und Konkurrenzkampf erlebe ich auch vor oder nach dem Wettkampf oder dann bei der Siegerehrung eine Solidarität und ein Miteinander. Denn man teilt ja nicht nur die Leidenschaft für einen gemeinsamen Sport. Sondern alle, die Wettkampf-Sportarten machen oder lieben wissen, was es bedeutet dabei zu sein, den Druck zu spüren, gewinnen zu wollen, zeigen zu wollen, was man kann. Man gratuliert sich, tröstet sich und freut sich für den anderen – oder man teilt sich wie bei diesen olympischen Sommerspielen von Tokyo die Goldmedaille.
Doch dann gibt es da die Spielverderber, die Paragrafenreiter – diese Regelspezialisten. Diejenigen, die direkt mit den Spielregeln oder den Wettkampf-Bestimmungen herumwedeln. Diejenigen, die nur die Regeln und ihre Einhaltung im Blick haben. Worum es dabei eigentlich geht, tritt dabei einfach in den Hintergrund. Das kennt man natürlich auch in anderen Bereichen. Nicht nur im Sport. Jesus hat mal Stellung bezogen zu dem Thema: Er sagt: „Die Regeln sind für den Menschen da, nicht der Mensch für die Regeln.“ Er mutet uns zu, selbst klug zu entscheiden, wo Regeln unbedingt angewendet werden müssen und wo auch mal eine Ausnahme erlaubt ist. Und er traut uns zu, diese Entscheidung gut zu treffen.
Freiheit, vor allem Entscheidungsfreiheit ist nicht immer leicht. Weder auf dem Sportplatz, noch bei Olympia oder auch sonst im Leben. Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger wussten: Wir treffen keine einsame Entscheidung. Wir haben einander. Da sind andere, die uns bestärken, uns unterstützen, uns anfeuern und uns einen Powerriegel kurz vorm Ziel reichen. Doch da sind nicht nur andere, sondern da ist auch Gott, der die Entscheidung mit uns trägt. Eine Entscheidung getroffen mit Verstand und vor allem dem Herz. Mit Liebe.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Sagt Jesus dann noch. Die Liebe, die ein Geschenk Gottes ist und eine Liebe, die verwirrende Welt mit ihren tausend Entscheidungen weniger bedrohlich macht. Und es ist ja so: Die Jüngerinnen und Jünger treibt nicht die Lust an der Grenzüberschreitung oder die Neugierde auf das Verbotene an oder das Gewinnen einer Medaille. Sie wollen etwas für die Menschen und wollen dazu Regeln brechen. Aber eben nicht um jeden Preis. Menschen brauchen Regeln als Hilfe und Anleitung. Als Richtschnur, die Orientierung bietet. Aber das leitende Maß ist die Liebe – und dann kann man doch teilen, was man nicht für möglich gehalten hat: wie eine Goldmedaille.
Es grüßt Sie, Pfarrerin Veronika Grüber aus Bad Salzuflen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze