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Kirche in WDR 4 | 20.10.2022 | 08:55 Uhr
Der erste Weltuntergang
Guten Morgen!
Weltuntergangsankündigungen sind beliebt. Die Bibel erzählt, der Weltuntergang habe bereits stattgefunden. In der Sintflut. Kurz und knapp führt die biblische Erzählung aus, wie die Menschheit, von Gott ins Leben gerufen, zunehmend verkommt. Durch und durch böse ist ihr Handeln, durch und durch böse sind ihre Pläne. Gott beschließt, seine Menschheit zu vernichten. (1) Da stockt einem der Atem. Und man kann sich gar nicht recht freuen, dass ein Mensch namens Noah mit seiner Familie und ein Pärchen von jeder Tierart überleben dürfen. In einem eigens dafür gebauten Schiff, der Arche.
In mir regt sich Widerstand gegen diesen Gott, der die Fluten ruft und alles, aber auch alles gnadenlos den Bach runter gehen lässt. Was ist das für ein Gott, der in seinem Zorn derart auf Vernichtung aus ist?
Mir kommen die furchtbaren Bilder von der Flutkatastrophe des letzten Jahres in den Sinn. Plötzlich ist die alte Erzählung sehr real, und ich stocke in meiner Gottesanklage. Wir haben im vorigen Sommer erlebt, wie sich die Natur, von menschlicher Gier und Gedankenlosigkeit verletzt, mit zerstörerischer Macht gerächt hat.
Die Flut im Sommer 2021 vernichtete Häuser, Felder, Weinberge, sie tötete mehr als 180 Menschen und viele Tiere. Die unmittelbar Betroffenen haben es als ihren Weltuntergang erfahren.
Ich stelle mir Noah nicht als glücklichen Menschen vor. Wer einen Weltuntergang hinter sich hat, für den sind die Erinnerungen daran oft so unerträglich, dass es eine Bürde ist weiterzuleben. Vielleicht wird deshalb von Noah erzählt, er habe sich nach der Flut schwer betrunken. (Die Bibel, 1. Mose 9,21)
Noah ist der Urvater der Welt nach der Sintflut. In den Augen der Bibel hat die Menschheit einen Weltuntergang bereits hinter sich. Und daraus leider nicht viel gelernt! Gott stellt nach der Flut ernüchternd realistisch fest: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“
Seine höchst erstaunliche Konsequenz aus dieser Feststellung lautet: „Ich will nicht mehr schlagen alles, was lebt, wie ich getan habe.“
Eine unfassbar gute Nachricht! Eine schlechte Nachricht allerdings für all diejenigen, die Gott dafür verantwortlich machen wollen, wenn ein neuer Weltuntergang droht. Dieser verlockend bequeme Ausweg – Gott ist schuld - ist versperrt. Es gibt keine Entschuldigung dafür, die Welt den Bach runter gehen zu lassen - nicht einmal die menschliche Bosheit. Denn die ist weder unabwendbares Schicksal noch ein Naturgesetz.
Wir sind dran zu handeln. Mit Zuversicht. Denn Gott hat versprochen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (Die Bibel, 1. Mose 8,22)
Einen gesegneten Tag wünscht Ihnen Annette Kurschus aus Bielefeld.
(1) Einige Anregungen beziehe ich aus Jürgen Ebach, Noah, Die Geschichte eines Überlebenden. Erschienen 2001 in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze