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Sonntagskirche | 19.02.2023 | 08:55 Uhr
Glück gehabt!
Guten Morgen.
„Was machst du
so an diesen tollen, fröhlichen Tagen?“, ruft mir mein netter Nachbar von gegenüber
zu. „Stürzt du dich auch ins volle Glück des Karnevals?“ Und ohne sich meine
Antwort noch richtig anzuhören, ist er bereits mit seinem bunten Kostüm
weitergestürmt. Ich bleibe etwas nachdenklich zurück. Ja, der Gedanke mich
einfach so ins Glück zu stürzen fasziniert mich schon. Doch wie lange hält das
Glück eigentlich an, frage ich mich daraufhin weiter. Erst kürzlich las ich von
einer Untersuchung (1): Da hat man den so genannten Glücksindex erforscht. Zum
Beispiel ob und wie lange Lottogewinner glücklicher sind als vor dem Gewinn.
Wie lange also treibt ein Jackpot das persönliche Glücksempfinden so richtig
schön nach oben? Ich staunte nicht schlecht: Es sind tatsächlich im
Durchschnitt nur ganze drei Monate! Das heißt, schon nach drei Monaten sind die
meisten Lottogewinner wieder exakt genauso glücklich oder unglücklich wie vor
dem großen Gewinn. Ist doch verrückt, oder? Und es geht nach den Aussagen der
Glücksforscher sogar noch weiter: Das Gleiche gilt nämlich auch für Menschen,
die nach einem Unfall querschnittsgelähmt sind. Auch deren Glücksindex ist in
der Regel nach drei Monaten ebenfalls wieder da, wo er vor dem Unfall war. Das
heißt: Weder besondere Erfolgserlebnisse noch persönliche Katastrophen sind für
unser Glücksempfinden auf die Dauer das Entscheidende. Letztlich geht es um etwas ganz
Anderes. Nämlich darum, ob ich grundsätzlich mit meinem Leben zufrieden bin. Ob
ich zu meinem Dasein Ja sagen kann oder nicht. Unabhängig davon, was mir gerade
zustößt. Natürlich gibt es besonders einschneidende Ereignisse wie den Verlust
meiner Partnerin oder womöglich eines meiner Kinder und natürlich auch ein
Unfall mit dramatischen Folgen wie einer Lähmung, der mich in eine
langanhaltende Lebenskrise führen kann, mich sozusagen traumatisiert. Doch im
Mittelpunkt meiner Suche nach Glück steht: Finde ich mein Leben „gut genug“?
Lebe ich zutiefst aus der Dankbarkeit des mir von Gott geschenkten Lebens und
meiner Gaben und Fähigkeiten? Oder denke ich fortwährend nur daran, dass mein
wahres Glück erst dann beginnt, wenn sich bestimmte Lebensumstände ändern? Wenn
ich dieses oder jenes noch erreichen würde?
Ich merke, mit der folgenden Zwiesprache mit Gott, komme ich dem Glück näher.
Ich sage Gott danke, für das, was ist: „Gott, du hast mir in meinem Leben so
viel geschenkt. Ich habe das, was ich zum Leben brauche. Ich habe zwei Augen,
um so viel Schönes zu sehen. Zwei Füße, um zu laufen und zu springen. Wenn auch
nicht mehr so wie vor dreißig Jahren. Ich kann singen und arbeiten. Ich liebe
meine Kinder und einen besonderen Menschen“.
Wir haben für alles in unserer Welt eine Formel gefunden, außer für das Glück. Wäre sie auf Knopfdruck zu bekommen, dann würde sie jeder von uns schon längst haben. Nein, die Formel des Glücks kommt allein aus meinem Herzen. Wenn es ehrlich und gütig ist, wenn es den Frieden liebt. Wenn es nicht nur immer fordert, sondern bereit ist zu geben. Wenn es dankbar entdeckt, wieviel Glück ihm schon geschenkt ist.
Und manchmal brauch ich auch den Anstoß, einmal nachzuschauen, ob in meinem Herzen etwas ist, das dem Glück im Wege stehen könnte.
Das glückliche Gesicht meines Nachbarn, der sich heute in den Karnevalstrubel stürzt, das macht mich froh, auch wenn ich selbst eher ein Karnevalsmuffel bin. Und irgendwie macht es mich auch glücklich.
Quelle:
(1) Zeitschrift „Bild der Frau“, Nr. 8, 2021, S. 54.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze