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Kirche in WDR 4 | 22.03.2023 | 08:55 Uhr
25 Paar Schuhe oder Einsamkeit
Guten Morgen!
Gehe ich neulich die Treppe bei mir
runter. Und bin ganz baff: Da stehen 25 Paar Schuhe vor der Wohnungstür eine
Etage tiefer. 25 Paar Schuhe! Also mindestens 25 Menschen sind in der Wohnung
unter mir. "Die kann ja nicht größer als meine sein!", schießt es mir
durch den Kopf, und meine Wohnung ist eher klein, so um 60 qm.
Ich habe mich gefreut. Dass Menschen so eng zusammenrücken. Dass sie etwas
zusammen feiern. Also ich glaube zumindest, dass sie feiern. Und selbst wenn
sie zusammen trauern, ist das doch auch schön. Dass sie so zusammenkommen. Dass
es eng wird, dass man die Wärme der anderen spürt. Schon das tröstet, ganz ohne
Worte.
Einsamkeit ist das Gegenteil von 25
Paar Schuhen vor der Wohnungstür. Und leider ein großes Problem in unserer
Welt. Nicht erst seit Corona. In Großbritannien gibt es seit 2018 sogar extra
eine Ministerin für Einsamkeit. Oder besser ja eigentlich "gegen
Einsamkeit". Es ist erschreckend,
dass so etwas nötig ist. Und gut, dass so ein Ministerium eingerichtet wird.
Japan ist Großbritannien gefolgt und hat auch so ein Ministerium. (1)
Beruflich habe ich ja auch mit Einsamen zu tun, vor allem mit Senioren. Nun ist
nicht jeder Seniorenbesuch, den ich mache, gleich ein
"Einsamkeitsbesuch". Doch es kommt vor. Manchmal schwebt auch über
einer Zweisamkeit die Einsamkeit. Was soll ich sagen, diese Besuche zählen für
mich zu den schönsten Begegnungen. Was für Lebensgeschichten höre ich. Von was
für vielen fremden Ländern mir meine Gesprächspartner erzählen. Mit was für
Themen ich mich durch die Gespräche beschäftige. Natürlich geht es auch um das
Alter, Krankheiten und Leid, Schmerzen und Tod. Doch ich empfinde das immer als
eine Bereicherung, als Horizonterweiterung.
Jesus sagt einmal: "Ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im
Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen." (2) Kranke und Gefangene besuchen
– das findet Jesus gut.
Natürlich sind die Besucher nicht direkt zu Jesus gegangen, das geht ja gar
nicht mehr. Sondern Jesus meint jeden Menschen, der zu einer Kranken oder einem
Gefangenen geht. Und es spielt keine Rolle, wie die Krankheit heißt. Auch
Einsamkeit kann eine Krankheit sein. Und manche Menschen sind wie Gefangene in ihrer
Einsamkeit. Jesus schließt dieses Beispiel so ab: "Was ihr für einen
meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt – und wenn sie noch so
unbedeutend sind –, das habt ihr für mich getan." (3) Mit diesem
Blickwinkel ist Jesus bei so einem Besuch dabei. Was für ein Versprechen!
Ich denke, es ist doch ganz einfach. Mal bei einem Nachbarn schellen, fragen, ob man etwas für ihn erledigen kann. Oder eine Kollegin auf eine Tasse Kaffee einladen. Oder man engagiert sich in einem Ehrenamt. Auch in diesem Bereich gibt es Initiativen, die sich um Einsame kümmern.
Sicherlich, es werden nicht gleich 25 Paar Schuhe vor den Türen der Einsamen stehen. Doch schon ein Paar Schuhe macht den Unterschied. Schon ein Mensch beendet die Einsamkeit des anderen. So einfach ist das.
Ihr Pastor Heddo Knieper aus Soest.
(1) https://www.diakonie-duesseldorf.de/magazin/themen/einsamkeit/das-ministerium-fuer-einsamkeit-in-grossbritannien, Aufruf am 10.2.23.
https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/einsamkeit-laender-loesungen-bremen-100.html (Japan),
Aufruf am 23.02.23.
(2)
Matthäus 25,36bc, Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 2016 Katholische
Bibelanstalt GmbH, Stuttgart.
(3) Matthäus 25,40b, BasisBibel. Altes und Neues Testament, © 2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze