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Kirche in WDR 4 | 13.03.2023 | 08:55 Uhr
Herr Shoukry
Herr Shoukry hat in Syrien Jura studiert. Seine Familie hat zusammengelegt und sich krumm gemacht, damit er zur Uni gehen konnte. Aber irgendwann gings nicht mehr. Und so hat sich Herr Shoukry nach Europa aufgemacht. Sein Ziel war Deutschland, denn dort lebt schon ein Teil seiner großen Familie. Was Herr Shoukry an Grausamkeiten erlebt hat, das passt nicht in ein Leben, das würde für eine Netflix-Serie reichen.
Herr Shoukry ist in Spanien an Land gegangen. Deswegen ist Spanien für seinen Asylantrag zuständig. Aber weil ein großer Teil seiner Familie in Deutschland lebt ist er weitergezogen. Deutschland hat im letzten Jahr seine Abschiebung nach Spanien entschieden. Da war seine Verzweiflung riesig. Denn viele Geflüchtete leben in Spanien auf der Straße. Niemand kümmert sich, so berichten es auch Menschen vom Netzwerk Kirchenasyl. Viele von ihnen arbeiten illegal auf den riesigen Gemüseplantagen im Süden des Landes.
Da hat Herr Shoukry Robert kennen gelernt. Auch er heißt eigentlich anders. Robert ist ein wunderbarer Mensch mit einem riesigen Herzen. Er hat schon einigen Syrern in Deutschland geholfen. Unter anderem teilt er gerade mit einem seine Wohnung. Robert hat mich angerufen. Und gefragt, ob wir Herrn Shoukry Kirchenasyl gewähren können. Und ich habe ehrlicherweise zuerst gedacht: Oh nein! Nicht das auch noch! Weil ich gewusst habe, dass das viel Arbeit ist.
Kirchenasyl ist eine Art Duldungsvereinbarung zwischen Staat und den Kirchen. Kirchengemeinden können einem Menschen wie Herrn Shoukry für eine begrenzte Zeit Unterschlupf gewähren, auch wenn das eigentlich den gesetzlichen Regelungen widerspricht. Ein Mensch, bei dem es so aussieht, als liege ein besonderer Härtefall vor. In dieser Zeit ist die Kirchengemeinde dann für ihn verantwortlich. Und der Staat hat die Möglichkeit, die Situation noch einmal zu prüfen. Bei Herrn Shoukry läuft seine Abschiebefrist in ein paar Wochen ab. Dann wäre Deutschland für seinen Asylantrag zuständig. Und er könnte vorerst hierbleiben.
Ich weiß natürlich: die ganze Welt ist voll von Menschen wie Herrn Shoukry. Und Gesetze gelten für alle. Auch für Kirchengemeinden. Auch für Herrn Shoukry. Ein Dilemma. Herr Shoukry hat im Mittelmeer seine Freunde sterben sehen. Die Fotos der Toten sind auf seinem Handy. Für jemand wie mich, der sich morgens noch im warmen Bett umdrehen kann unfassbar. Manchmal aber musst Du dich entscheiden. Manchmal musst Du einfach die Arme ausbreiten. Nicht nur an einem Montagmorgen.