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Sonntagskirche | 03.09.2023 | 08:55 Uhr
Teil des Teams
Zwei Monate vor der aktuellen Weltmeisterschaft nämlich bei den Teameuropameisterschaften in Polen ist etwas dieser Welt der Leichtathletik passiert, was mich sehr beeindruckt hat. Mit einem sportlichen Rekord hat das allerdings nix zu tun. Ich erzähle ihnen grad, was da beim 100-Meter-Hürdenlauf der Frauen zu sehen war:
Kurz vor dem Start schwenkt die Kamera auf die Läuferinnen und da steht ganz rechts eine Sportlerin, die ist viel größer als alle anderen. Und kräftiger ist sie auch. Jeder sieht: Irgendwie gehört die da doch gar nicht hin. Aber: die Frau lächelt in die Kamera und winkt.
Als der Starschuss knallt, laufen alle los, nehmen die 10 Hindernisse in vollem Tempo. Nur die Läuferin ganz rechts überquert die Hürden etwas unbeholfen. Was macht die da? Fast 20 Sekunden später als die Siegerin kommt die Frau ins Ziel. Aber: Ein Applaus brandet durchs Stadion wie bei kaum einem Wettkampf vorher. Die Frau heißt Jolien Boumkwo und wird bejubelt. Die anderen Läuferinnen klatschen sich mit ihr ab und Jolien strahlt über das ganze Gesicht: Als letzte im Ziel, aber gefeiert wie die Siegerin.
Was war passiert? Die eigentliche
Hürdenläuferin aus dem belgischen Team hatte sich kurzfristig verletzt. Bei der
Team-EM ist das aber so: Wenn keine Athletin an den Start geht, ist das Team
vom gesamten Wettkampf disqualifiziert. Jolien Boumkwo gehört zum belgischen Team, aber ihre
Disziplinen sind eigentlich Kugelstoßen und Hammerwerfen. Und das kann sie auch
ziemlich gut. Aber: Jolien Boumkwo erklärt sich bereit, beim Hürdenlauf an den
Start zu gehen. Später sagt sie: „Ich wusste, dass ich kein Risiko eingehe,
wenn ich es einfach ruhig angehen lasse.“
Ich sehe also das Video und hab Bewunderung, wie so viele. Was muss das diese Frau an Mut und Entschlossenheit gekostet haben sich dieser Herausforderung zu stellen! Jolien sagt in Interviews immer wieder: Es ging ja nicht um mich sondern um das Team.
Wow: Das ist mal echter Teamgeist!
Kein Wunder, dass Jolien Boumkwo dafür gefeiert wird. Kein Wunder, dass auch
ich diesen Teamgeist feiere! Und während ich den so feiere, frage ich
mich:
Wo bin ich selber Teil eines Teams mit
so einem Geist? Wo stehe ich bereit, wenn ich für mein Team gefordert bin?
Welche Hürden bin ich bereit zu nehmen?
Am Arbeitsplatz, in meiner Partnerschaft, in meiner Familie. In meinen
Hobbies?
Diesen Radiobeitrag mache ich übrigens auch als Hobby. Ich arbeite nicht für WDR4 und auch nicht für die Kirche, bin quasi ein ganz normales „Schäflein“. Aber schon seit Jahren lasse ich mich gerne immer wieder mal einwechseln, um hier für Sie zu sprechen. Und glauben Sie mir: als Sozialarbeiterin bei den Profis hier im Radio zu sprechen, das ist auch manchmal so ne kleine Hürde für mich. Aber: Ich mach das gern. Ich bin Christin, von Herzen – gern.
Und trotzdem: Wenn ich auf „mein Team“ schaue, also die katholische Kirche, dann sehe ich da manchmal wenig Teamgeist, aber viele Hürden: Mal geht es wieder ein Stück geradeaus und dann kommen wieder neue Schlagzeilen, Skandale und ich frage mich: Willst Du da jetzt noch weiter mit drüber? Wäre es nicht einfacher von der Bahn zu gehen, abzubrechen und zu sagen: Ok, das hier ist nicht mehr meine Disziplin, ich bin raus?
Aber: Christsein geht nicht nur im Zuschauermodus. Christen sehen auch eher schlecht aus als Einzelkämpferinnen. Christsein ist Teamplay.
„Ein jeder trage des anderen Last“, empfiehlt der Apostel Paulus (Galater 6,2). Und der kannte sich übrigens sogar auch schon aus in Sachen Leichtathletik. Zumindest vergleicht er schon vor knapp 2.000 Jahren das Leben mit einem Lauf im Stadion[1]. Paulus geht es dabei um Leidenschaft.
Und ich glaube, das ist der Grund warum ich auf der Bahn bleibe: Ich habe meine eigene Leidenschaft für meinen Glauben und für eine Kirche, deren Gemeinschaft mir schon oft geholfen hat, die ein oder andere Hürde meines Lebens zu überwinden. Für diese Kirche setze ich mich gerne ein. Nicht nur im Zuschauermodus.
[1] https://bistummainz.de/pressemedien/aktuell/nachrichten/nachricht/Geistlich-leben-wie-ein-Laeufer/